Rabattverträge vor dem EuGH APOTHEKE ADHOC, 09.09.2014 13:49 Uhr
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) muss sich mit den Rabattverträgen beschäftigen, genauer mit den sogenannten „Open-House“-Verträgen. Anders als bei klassischen Ausschreibungen geben bei diesem Modell nicht die Firmen ein Gebot ab, sondern die Kasse gibt einen Preis vor, den jeder Hersteller während der gesamten Vertragslaufzeit annehmen kann. Preisdiktat und ausschreibungspflichtige Exklusivvereinbarung, finden die Hersteller. Jeder kann mitmachen, kontern die Kassen. Die Vergabekammer des Oberlandesgerichts Düsseldorf (OLG) will nun die Rechtmäßigkeit dieser Verträge prüfen lassen.
Als die Portfolioverträge abgeschafft wurden, begannen im vergangenen Jahr zahlreiche Krankenkassen, solche offenen Verträge abzuschließen. Vor allem für Originalpräparate und Übergangszeiträume rund um Patentabläufe ist das Modell interessant. Mitunter steigen die Originalhersteller ein, nicht selten kommen auch Reimporteure zum Zug.
Die DAK-Gesundheit hatte im August 2013 auf diese Weise den Wirkstoff Mesalazin ausgeschrieben. Alle Hersteller sollten einen Vertrag mit einem Rabattsatz von 15 Prozent abschließen können. Die Kasse führte in den Ausschreibungsunterlagen aus, dass das Vergaberecht nicht angewendet werden müsse. Dass man das Angebot mit einem EU-Formblatt bekannt mache, sei alleine dem Umstand geschuldet, dass für das Modell kein eigenes Formblatt zur Verfügung stehe.
Kohlpharma beteiligte sich im Dezember an der Ausschreibung und schloss einen Vertrag mit der Kasse ab, der seit Januar gilt. Ein anderer Hersteller ging juristisch gegen das neue Rabattmodell vor. Das Unternehmen rügte die die Vergaberechtswidrigkeit und eine rechtswidrige De-facto-Vergabe. Weil die DAK darauf nicht reagierte, reichte das Unternehmen bei der Vergabekammer des Bundes einen Nachprüfungsantrag ein und forderte, den Vertrag für unwirksam zu erklären und eine Ausschreibung nach dem Vergaberecht anzuordnen.
Die Vergabekammer entschied im Februar, dass das Open-House-Verfahren vergaberechtswidrig ist: Die Durchführung eines Wettbewerbs sei zwingend vorgeschrieben, wenn der öffentliche Auftraggeber Waren beschaffe. Der zwischen der DAK und Kohlpharma geschlossene Vertrag ist aus Sicht der Vergabekammer aber nicht für unwirksam zu erklären.
Die DAK habe ihre Absicht, Rabattverträge über Mesalazin zu schließen, zuvor europaweit bekannt gemacht, argumentiert die Vergabekammer. Dass sie dabei das Formblatt für ein anderes Verfahren verwendet habe, schade nicht. Denn auch eine fehlerhafte Bekanntmachung genüge dem Publizitätserfordernis. Gegen diese Kompromissentscheidung wandten sich sowohl die Kasse als auch der Hersteller.
Das Unternehmen ist der Auffassung, der Vertrag sei unwirksam, weil ihm eine Beteiligung an einem förmlichen Vergabeverfahren nicht ermöglicht worden sei. Die DAK wendet sich gegen die Vorgabe, ein ordnungsgemäßes Vergabeverfahren durchzuführen, wie es sich die Vergabekammer vorstellt.
Die DAK vertritt die Auffassung, dass es ihr überlassen sei, exklusive Verträge mit einzelnen Herstellern oder Vereinbarungen mit allen Unternehmen zu schließen. Bei einer Auftragsvergabe ohne Auswahlentscheidung liege aber kein öffentlicher Auftrag vor. Das Open-House-Verfahren unterliege somit nicht dem Vergaberecht.
Derzeit prüft der Vergabesenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf den Fall. Dabei geht es um Auslegung einer EU-Richtlinie: Die Entscheidung hänge davon ab, ob es sich bei dem Abschluss eines Rabattvertrags mit allen beteiligten Unternehmen um einen öffentlichen Auftrag im Sinne dieser Verordnung handele. Aus Sicht der Richter ist diese Frage in Literatur und Rechtsprechung umstritten – nun soll der EuGH die Frage klären.
Der EuGH soll außerdem die Kriterien für Verträge nach dem Open-House-Modell festlegen, falls diese nicht unter das Vergaberecht fallen. Das OLG fragt, ob solche Ausschreibungen nur erlaubt sind, wenn sie europaweit publiziert werden, eindeutige Regeln für Vertragsschluss und -beitritt sowie die Vertragsbedingungen festgelegt sind und Unternehmen ein jederzeitiges Beitrittsrecht gewährt wird.
Sollte der EuGH die Open-House-Verträge bestätigen, wäre der Antrag des Herstellers aus Sicht des Vergabesenats unzulässig, weil die DAK „in diskriminierungsfreier Weise von einer Auswahlentscheidung abgesehen hat“. Da die Exklusivität entfalle, gebe es keine wirtschaftlichen Vorteile für Ausschreibungsgewinner.
Auch durch den Austausch in der Apotheke entstehe kein Vorteil, da der Apotheker nicht zur Abgabe eines bestimmten Rabattarzneimittels verpflichtet sei. „Er kann vielmehr zwischen den an der Rabattvereinbarung beteiligten Unternehmen auswählen und wird sich, wenn er die Wahl nicht sogar dem Kunden überlässt, für dasjenige Unternehmen entscheiden, das ihm seinerseits die günstigeren Einkaufskonditionen bietet“, so der Vergabesenat.
Wenn der EuGH das Open-House-Modell allerdings kippt, müssen die Ausschreibungen dem Vergaberecht unterstellt werden. Dem steht aus Sicht des Vergabesenats nicht entgegen, dass der Hersteller dem Vertrag hätte beitreten können. Denn die Beteiligung an einer Ausschreibung würde dem Unternehmen die Möglichkeit eröffnen, durch einen Zuschlag exklusiv in die Sonderstellung der Substitution zu gelangen. In diesem Fall wäre die geschlossene Vereinbarung mit Kohlpharma für unwirksam zu erklären.