Unter den Krankenkassen nimmt der Unmut über den in ihren Augen ungerechten Finanzausgleich innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung zu. In einem eindringlichen Appell an Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) forderten die Betriebskrankenkassen (BKK) Korrekturen noch in dieser Legislaturperiode.
Der Risikostrukturausgleich zwischen den Kassen führe zu erheblichen Fehlsteuerungen, „die für eine beträchtliche Zahl von Krankenkassen existenzbedrohend sind“, heißt es in einem Schreiben des Vorstands des BKK-Dachverbandes, Franz Knieps, an Gröhe. „Korrekturen an diesem Ausgleich können nicht bis zur nächsten Legislaturperiode verschoben werden.“ Erste Schritte müssten jetzt schon unternommen werden, heißt es darin weiter.
Der Risikostrukturausgleich (RSA) weist einer Kasse Geld aus dem Gesundheitsfonds zu je nach Schwere der Erkrankung der Versicherten. Er ist vielen Kassen seit Längerem ein Dorn im Auge. Einige Ersatz-, Betriebs- und Innungskrankenkassen hatten sich Anfang März zu einer RSA-Allianz zusammengeschlossen und eine rasche Finanzreform gefordert. Sie sehen insbesondere die Allgemeinen Ortskrankenkassen durch das jetzige System im Vorteil.
Wie Knieps an Gröhe weiter schrieb, verschärft ein erstes Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (LSG) die Situation zusätzlich. Danach erhalten einige Krankenkassen Nachzahlungen für 2013 aus dem Gesundheitsfonds. Entsprechend müssten anderen Krankenkassen die Einnahmen für den Zeitraum wieder gekürzt werden. Dabei handle es sich um Zuschläge für im Ausland wohnende Versicherte, die neu berechnet werden müssen.
Auch wenn es noch kein rechtskräftiges Urteil gebe, würden die Finanzergebnisse einzelner Kassen aus buchungstechnischen Gründen schon vorher belastet. Zudem seien drei weitere Verfahren anhängig – zu Auslandsversicherten 2014 und Krankengeldzuweisungen 2013 und 2014. Allein durch die beiden letzteren Verfahren drohe eine Umverteilung von 162 Millionen Euro.
„Wir bezweifeln nicht die Notwendigkeit eines Solidaritätsausgleichs. Aber kein Solidaritätsausgleich darf den Empfänger besser stellen als den Zahler“, schrieb Knieps an Gröhe und fügte hinzu: „Bitte unternehmen Sie jetzt etwas gegen diese Ungerechtigkeiten, sonst könnte es schon bald zu spät sein.“
Das Bundesversicherungsamt (BVA) dämpfte jedoch die Hoffnung auf eine rasche Reform. Der Risikostrukturausgleich wie ihn das BVA seit 2009 durchführe, sei das richtige Instrument, um Risiken wie Alter, Geschlecht und Krankheit der Versicherten auszugleichen.
Obwohl im System mit insgesamt 24,5 Milliarden Euro noch viel Reserven sind, ist die Finanzlage einzelner Kassen dramatisch. Steigende Zusatzbeiträge für die Versicherten und der Finanzausgleich verschärfen den Angaben zufolge diese Situation und machen bei der nächsten Beitragserhöhung etliche Kassen zu Übernahmekandidaten.
Nach Zahlen des BKK Bundesverbands haben nur die Ortskrankenkassen im vergangenen Jahr ein positives Finanzergebnis eingefahren. Demnach liegt das Plus bei den AOKen bei 9 Millionen Euro. Die BKKen hätten dagegen ein Minus von 287 Millionen Euro hinzunehmen, die zusammen wesentlich größeren Ersatzkassen 532 Millionen Euro. Dazwischen liegen die IKKen mit 346 Millionen Euro. Die Knappschaft hat demnach ein kleines Defizit von 20 Millionen Euro. Die Zahlen sind noch nicht offiziell, dürften aber ungefähr stimmen.
Demnach wird Schere bei den Zusatzbeiträgen der Kassen schon 2017 weiter auseinander gehen: Nach den BKK-Zahlen liegen 2017 wieder nur die AOKen mit einem systeminternen Wert von 1,16 Prozent Zusatzbeitrag unter dem geschätzten neuen Durchschnittswert von 1,3 Prozent. Die IKKen (1,61), BKKen (1,52) und VDEK (1,45) wären dagegen deutlich darüber, die Knappschaft mit 1,31 Prozent ziemlich genau auf dem mutmaßlichen Durchschnittswert.
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