GKV-Reserven schmelzen – ein bisschen dpa/APOTHEKE ADHOC, 04.09.2015 18:12 Uhr
Die Krankenkassen haben im ersten Halbjahr mehr Geld für Arzneimittel ausgegeben. Außerdem wurde ein Defizit von 490 Millionen Euro eingefahren. Dennoch haben die Kassen noch Finanzreserven von rund 15,2 Milliarden Euro. Die Finanzsituation sei „stabil“, sagte Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU).
Die Arzneimittelausgaben pro Versicherten stiegen um 5 Prozent. Vor allem die neu zugelassenen Arzneimittel gegen Hepatitis C schlugen insgesamt mit rund 600 Millionen Euro zu Buche. Der Haushalt sei wegen Rabattverträgen erneut entlastet worden, heißt es beim BMG: Die Einsparungen seien deshalb im ersten Halbjahr um 9 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum auf rund 1,65 Milliarden Euro gestiegen. Die Ausgaben für Ärzte stiegen um 4 Prozent, die für Klinikbehandlung um 3 Prozent.
Die Einnahmen der Kassen lagen bei rund 106 Milliarden, die Ausgaben bei rund 107 Milliarden Euro. Das Defizit rührt laut Ministerium daher, dass viele Kassen ihren Versicherten einen eher niedrigen Zusatzbeitrag abverlangt haben. Dieser habe im Durchschnitt bei 0,83 Prozent gelegen. Mit der schwarz-roten Gesundheitsreform war ein Sonderbeitrag von 1 Prozent zulasten der Kassenmitglieder entfallen – stattdessen können die Kassen Zusatzbeiträge nehmen.
Der GKV-Spitzenverband hatte einen Anstieg des durchschnittlichen Zusatzbeitragssatzes um 0,2 bis 0,3 Beitragssatzpunkte zum kommenden Jahreswechsel als realistisch bezeichnet. Insgesamt besteht noch ein Polster von 23,8 Milliarden Euro. Die Reserve des Gesundheitsfonds – der Geldsammel- und Verteilstelle für die Kassen – beträgt 8,6 Milliarden Euro.
Pro Versichertem gab es im ersten Halbjahr einen Ausgabenzuwachs von 4 Prozent. Im Gesamtjahr 2014 hatte der entsprechende Zuwachs noch bei 5 Prozent gelegen. Die Ausgabensteigerungen waren laut BMG im zweiten Quartal weiter rückläufig. Außerdem wurden mehr Präventivkurse in Anspruch genommen: Die Ausgaben für diese Leistungen stiegen um 7 Prozent je Versichertem.
Die Kassen hatten zuletzt über erhebliche Belastungen durch die Reformen im Gesundheitswesen geklagt. Viele der mehr als 120 Kassen können dies wohl nur über höhere Beitrage stemmen. Auch die finanziellen Belastungen durch die geplanten Gesundheitsreformen sowie ein andauerndes, strukturelles Defizit bei Ausgaben und Einnahmen könnten viele Kassen nur durch höhere Zusatzbeiträge auffangen, sagte die Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, Dr. Doris Pfeiffer.
Bis 2019 werde ein Anstieg auf durchschnittlich 1,4 bis 1,8 Prozent erwartet. Für das laufende Jahr wird von einem durchschnittlichen Zusatzbeitrag von 0,9 Prozent ausgegangen. Bereits 2016 wird er nach GKV-Angaben auf voraussichtlich 1,1 bis 1,2 Prozent steigen.
Laut dem Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) sparen Innovationen langfristig durch ihr Heilungspotential Kosten ein, die sonst etwa durch Dauermedikation oder Transplantationen entstehen würden. Dr. Norbert Gerbsch, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des BPI, verwies darauf, dass trotz Rücklagen der Kassen weiterhin „politischen Zwangsmaßnahmen“ gegenüber der Industrie bestünden. Besonders das Preismoratorium treffe gerade standortgebundene Unternehmen. Der Gesetzgeber gefährde die Versorgungsvielfalt in Deutschland, so Gerbsch.