Die AOK Bayern muss den Hausärzten im Freistaat zwei Millionen Euro zurückzahlen. Das Sozialgericht München hat die Kasse verpflichtet, entsprechende Honorare, die diese einbehalten hatte, an den Bayerischen Hausärzteverband (BHÄV) auszuzahlen. Seit Wochen streiten Verband und Kasse um Regresse aufgrund von vermeintlichen Falschabrechnungen. Dabei ging es unter anderem um Leistungen innerhalb des Projekts „AMTHO“ zur Arzneimitteltherapieoptimierung innerhalb der hausärztlichen Versorgung.
Im Dezember forderte die AOK Bayern rund 2700 Hausärzte auf, für den Zeitraum von April 2012 bis September 2014 jeweils bis zu 100.000 Euro wegen „sachlich-rechnerischer Berichtigungen“ innerhalb von 30 Tagen zu zahlen – insgesamt betrug der Wert 12,5 Millionen Euro. Anfang Februar hatte die Kasse dann das Honorar von rund 1800 Hausärzten im Rahmen der Abschlagszahlungen um insgesamt rund 2 Millionen Euro gekürzt und angekündigt, weitere Kürzungen vorzunehmen. Im Februar beantragte der BHÄV Einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht München.
Das Sozialgericht entschied nun, dass die Kasse die „sachlich-rechnerische Berichtigung“ nicht ohne Abstimmung mit dem Verband hätte durchführen dürfen. Dem Verband stehe laut dem im BGB geregelten Grundsatz von „Treu und Glauben“ gemeinsam mit der Kasse ein inhaltliches Prüfrecht zu. Zudem müssten Korrekturen hinreichend begründet werden. Dies gelte für die AOK Bayern als Körperschaft des öffentlichen Rechts in besonderem Maße.
Zudem zweifelte das Gericht, ob die angemeldeten Korrekturen inhaltlich korrekt sind: Die AOK Bayern hatte unter anderem im Rahmen des Projekts „AMTHO“ Abrechnungen beanstandet und gekürzt. Dabei sollen die Ärzte Polymedikation steuern und Medikamenteninteraktionen vermeiden.
Laut Kasse konnte die Leistung nur für solche Patienten abgerechnet werden, die innerhalb eines Jahres vor der Abrechnung mindestens sechs Rx-Arzneimittel dauerhaft eingenommen haben. Dabei musste die Summe der durchschnittlichen Tagesdosen mindestens 100 DDD betragen; andernfalls lag aus Sicht der AOK Bayern keine langfristige dauerhafte Verordnung vor. Dementsprechend kürzte die Kasse Rechnungen, wenn weniger Arzneimittel eingenommen wurden.
Laut Gericht hat die AOK Bayern diese Auslegung aber den Hausärzten und dem BHÄV nicht mitgeteilt. Ob die den Hausärzten mitgeteilte standardisierte Begründung hinreichend war, sei äußerst fraglich; der hausärztliche Vertrag decke eine solche Auslegung nicht. Zudem könne die Kasse nicht einseitig eine ihr genehme Auslegung oktroyieren, so das Gericht. Deshalb sei fraglich, ob die Voraussetzungen für eine die Korrektur vorlägen und die behaupteten Überzahlungen in den Quartalen von 3/2012 bis 3/2014 überhaupt wirksam und fällig seien.
Die AOK Bayern hatte die Abschlagszahlungen maximal in Höhe von 11 Euro pro eingeschriebenen Versicherten gekürzt – das sind 50 Prozent der laut HzV-Vertrag zu leistenden Abschlagszahlung. Durchschnittlich betrug die Kürzung monatlich 1100 Euro, bei rund 57 Prozent aller Fälle handelte es sich um Beträge unter 1000 Euro – nach AOK-Ansicht keine Summen, die die Liquidität oder gar die hausärztliche Versorgung insgesamt gefährden.
Auch hier widerspricht das Gericht: Auf ein Quartal hochgerechnet ergäben sich pro Arzt 3300 Euro. Unter den Praxen befänden sich auch solche, deren Liquidität selbst bei Kürzung relativ geringer Beträge gefährdet sei. Die rein pauschale statistische Betrachtungsweise der AOK sei deshalb nicht sachdienlich.
Grundsätzlich dürften Überzahlungen und Erstattungsansprüche der AOK nicht mit den monatlichen Abschlagszahlungen verrechnet werden, sondern nur mit den Schlusszahlungen am Ende eines Quartals.
„Die AOK Bayern vertritt dazu eine andere Rechtsauffassung“, erklärte ein Sprecher der Kasse laut der Ärzte Zeitung. Man werde die Honorarabschlagszahlungen jetzt ohne Verrechnung an den BHÄV überweisen und nach Prüfung des Beschlusses des Sozialgerichts über das weitere Vorgehen beraten.
BHÄV-Vorsitzender Dr. Dieter Geis hatte das Vorgehen der Kasse perfide genannt. Diese versuche, „die bayerischen Hausärzte generell unter den Verdacht der Falschabrechnung zu stellen“. Die AOK gefährde damit den sozialen Frieden und die medizinische Versorgung. In mehreren Rundschreiben hatte der BHÄV die Forderungen und das Vorgehen als „eindeutig vertragswidrig“ bezeichnet.
Die AOK Bayern hatte sich verteidigt und betont: „Auch eingetragene Vereine müssen Gesetze anerkennen“, kontert Dr. Helmut Platzer, AOK-Vorstandsvorsitzender in Bayern. Wenn Leistungen zu Unrecht in Rechnung gestellt würden, seien Krankenkassen verpflichtet, diese zurückzufordern.
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