Klinikapotheken

Kassen klagen Zyto-Steuer ein

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Berlin -

Krankenhausapotheken müssen für die Herstellung von Sterilrezepturen keine Mehrwertsteuer zahlen. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) im Herbst des vergangenen Jahres entschieden. Doch der vermeintliche Vorteil könnte zunächst zum Nachteil für die Kliniken werden: Denn die Krankenkassen haben zahlreiche Krankenhäuser verklagt und fordern Umsatzsteuerzahlungen aus den vergangenen Jahren in Millionenhöhe zurück.

In dem konkreten Fall ging es um die Steuerzahlungen der Apotheke des Klinikums Dortmund. Sie hatte für ihre Zytostatikaumsätze der Jahre 2005 und 2006 keine Umsatzsteuer gezahlt. Aus Sicht des Finanzamtes war das nicht korrekt, da die Apotheke in dieser Zeit auch ermächtigte Ärzte, die ambulante Behandlungen durchführten, versorgte.

Der BFH hatte den Fall 2012 an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) verwiesen und um Klärung der Frage gebeten. Das Urteil des EuGH vom Frühjahr 2014 klang zunächst, als würde das Finanzamt Recht bekommen: Die Lieferung von zytostatischen Medikamenten könne nur dann von der Mehrwertsteuer befreit werden, wenn sie „in tatsächlicher und in wirtschaftlicher Hinsicht von der Hauptleistung der ärztlichen Heilbehandlung untrennbar“ sei. Der BFH entschied jedoch, dass dies bei der Verabreichung von Zytostatika an ambulant im Krankenhaus behandelte Patienten der Fall und die damit verbundenen Umsätze damit steuerfrei seien.

Infolgedessen klagen die Krankenkassen nun vielerorts auf Rückerstattung der von ihnen gezahlten Umsatzsteuer. „Derzeit laufen hunderte Klageverfahren mit hohen Summen gegen häufig finanziell marode Krankenhäuser“, so Joachim Müller von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO. „Sollten die Klagen erfolgreich sein, kann das für einige Krankenhäuser das Aus bedeuten.“

Das Problem: Die Krankenhäuser haben die Umsatzsteuer bereits an die Finanzämter abgeführt – und müssen das auch weiterhin tun. Denn die Rechtslage hat sich durch das BFH-Urteil nicht geändert. Dafür braucht es einen Erlass des Bundesfinanzministeriums, der allerdings noch aussteht. Erst wenn durch diesen Erlass die Rechtslage angepasst wurde können die Krankenhäuser die Mehrwertsteuer einbehalten und versuchen, die gezahlten Steuern zurückzuholen.

Unterdessen haben die Krankenkassen noch im Dezember Klagen eingereicht, bevor die Fälle aus dem Jahr 2010 verjähren. „Ende des Jahres lagen allein bei uns 250 Verfahren“, so Dr. Stephan Porten, Medizinrechtsanwalt bei BDO. Die meisten bewegten sich zwischen 10.000 und 40.000 Euro. In Einzelfällen würden die Kassen aber bis zu 1,8 Millionen Euro zurückfordern.

Derzeit versuchen die Krankenhäuser, eine Lösung mit den Krankenkassen zu finden. Vergleichsweise erfolgreich war etwa die Krankenhausgesellschaft Sachsen: Man habe sich mit den Krankenkassen zumindest auf eine Lösung für die Zeit bis zu einer Entscheidung verständigt, so der stellvertretende Geschäftsführer, Friedrich München. Demnach zahlen die Kassen zunächst weiterhin die Mehrwertsteuer und sehen davon ab, neue Klagen zu erheben.

Anders in Baden-Württemberg: Dort hat die AOK angekündigt, ab Juli keine Umsatzsteuer mehr für Zytostatika aus Krankenhausapotheken zu zahlen. Die Krankenhäuser müssen diese aber weiterhin an das Finanzamt abführen. Da die Krankenhäuser daher fast gezwungen sind, gegen die Krankenkassen zu klagen, droht aus Sicht von Porten ein Zwei-Fronten-Krieg.

Unterdessen verhandeln Kliniken, Kassen und Finanzbehörden über ein vereinfachtes Verfahren zur Rückzahlung der Umsatzsteuer. Denn durch den Vorsteuerabzug seien tatsächlich nur 5 bis 6 Prozent an die Finanzämter gezahlt worden, und nicht 19 Prozent, erklärt München. „Wir gehen davon aus, dass die Krankenkassen nur das Geld bekommen, dass die Krankenhäuser abgeführt haben“, betont er.

Mit Blick auf die aktuellen Verfahren vertritt Porten sogar die Position, dass die Klagen der Kassen unzulässig sind – weil sie sich gegen den falschen Akteur richten. „Es gibt den Grundsatz, dass man sich mit seinem Erstattungsanspruch an denjenigen wendet, an den die Leistung erbracht wurde“, erklärt Porten vereinfacht. Die Kassen hätten aber die Rechenzentren „übersehen“.

Die Krankenhäuser haben aus Portens Sicht ihre Forderung an die Rechenzentren abgetreten, die den Krankenkassen die Leistung in Rechnung gestellt hätten. Daher hätten sich die Kassen an die Rechenzentren wenden müssen – dafür sei es aber zumindest für Fälle aus dem Jahr 2010 zu spät. „Eine Klage hat zwar verjährungshemmende Wirkung – aber nur, wenn der richtige verklagt wird“, so Porten. Diese Sichtweise möchte er allerdings bewusst nur als These und Beitrag zur Diskussion verstanden wissen – immerhin sei das Thema hochkomplex und für alle Beteiligten eine besondere Situation.

Doch ganz abgesehen von den akuten Klagen auf Rückzahlungen bringt das Urteil weitere Probleme mit sich. Denn bislang ist nicht geklärt, ob die Umsatzsteuerbefreiung nur für Zytostatika gilt, oder auch für andere Zubereitungen aus Krankenhausapotheken, etwa monoklonale Antikörper oder sogar alle patientenindividuellen Zubereitungen.

Krankenkassen könnten daher auch die Umsatzsteuerpflicht bei der Abgabe von Krebsimmuntherapeutika und anderer Mittel hinterfragen, warnen die BDO-Experten. Weitere Millionenklagen wären dann vorprogrammiert.

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