Wegen des Ansturms auf ihre Praxen bekommen die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte mehr Geld: Über zwei Quartale hinweg zahlen die Kassen 49 Millionen Euro zusätzlich für die Behandlung von Kindern mit Atemwegsinfektionen.
Wegen der extrem hohen Zahl an Atemwegsinfektionen insbesondere bei Kindern ist die Lage in den Praxen laut Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV) angespannt. Daher habe man mit dem GKV-Spitzenverband eine kurzfristige finanzielle Unterstützung vereinbart. Die Ärzte erhalten danach zwei Quartale lang für jedes Kind mit Atemwegserkrankungen einen Zuschlag.
Unterstützt werden nicht nur Kinder- und Jugendärzte, sondern auch Hausärzte, HNO-Ärzte, Pneumologen sowie Fachärzte für Sprach-, Stimm- und kindliche Hörstörungen. Damit bleibt der Frieden unter den Facharztgruppen gewahrt. Die Praxen erhalten für Kinder bis zum vollendeten 12. Lebensjahr im vierten Quartal 2022 und im ersten Quartal 2023 jeweils einen Zuschlag zur Versicherten- und Grundpauschale von etwa 7,50 (65 Punkte).
Voraussetzung ist, dass bei dem Kind mindestens eine Atemwegserkrankung mit einer gesicherten Diagnose vorlag und diese in der Abrechnung angegeben ist. Relevant sind drei ICD-Codes:
Die Krankenkassen stocken die morbiditätsbedingte Gesamtvergütung (MGV) zu diesem Zweck um 49 Millionen Euro auf, um die zusätzlich notwendigen Leistungen zu finanzieren. Die Vergütung erfolgt damit innerhalb der MGV.
KBV und Krankenkassen setzen mit der kurzfristigen finanziellen Unterstützung einen Vorschlag von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) um. Dieser hatte die Trägerorganisationen des Bewertungsausschusses im Dezember aufgefordert, für eine kurzfristige Verbesserung der Vergütung vor allem der Kinder- und Jugendärzte zu sorgen. In einem Schreiben schlug der Minister vor, die zusätzliche Vergütung als nicht vorhersehbaren Anstieg des morbiditätsbedingen Behandlungsbedarfs innerhalb der begrenzten MGV vorzusehen.
Lauterbach hat den Kinder- und Jugendärzten darüber hinaus eine extrabudgetäre Vergütung in Aussicht gestellt, sodass künftig alle Untersuchungen und Behandlungen in voller Höhe bezahlt werden. Er kündigte an, die Fachgruppe mittelfristig per Gesetz zu entbudgetieren. Ein konkreter Vorschlag liegt allerdings noch nicht vor.
„Die vom Minister zugesagte extrabudgetäre Vergütung muss jetzt kommen“, forderte KBV-Chef Dr. Andreas Gassen. Die Aufhebung der Budgets sei längst überfällig – und zwar für alle Arztgruppen. Denn die Versorgungsprobleme wie jetzt in der Kinderheilkunde würden früher oder später auch in anderen Bereichen spürbar, wenn das System weiter kaputtgespart werde.
Gassen zufolge wird von den Krankenkassen etwa jede zehnte Untersuchung und Behandlung nicht bezahlt. Die jetzt erfolgte Aufstockung der MGV stelle nur eine kurzfristige Hilfe dar, um die angespannte Lage in vielen Arztpraxen infolge der Infektwelle etwas zu entschärfen. Dass die Krankenkassen aufgrund eines nicht vorhersehbaren Anstiegs des morbiditätsbedingten Behandlungsbedarfs zusätzliches Geld bereitstellen müssten, sei aber nicht neu. Laut Sozialgesetzbuch (SGB V) prüft der Bewertungsausschuss jedes Jahr, ob zum Beispiel aufgrund einer überproportionalen Zunahme von Atemwegsinfektionen der Behandlungsbedarf gestiegen ist, sodass der im Voraus festgelegte Honorartopf nachträglich erhöht werden muss. Dies erfolgt laut KBV allerdings immer erst mit einem deutlichen zeitlichen Abstand und nicht sofort, wie aktuell geschehen.
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