Lunapharm-Skandal

Korruptionsverdacht und ein gestoppter Transporter Lothar Klein, 25.07.2018 12:31 Uhr aktualisiert am 25.07.2018 13:47 Uhr

Berlin - 

Schwere Versäumnisse bei der Kontrolle des Brandenburgischen Pharmahändlers Lunapharm hat die Gesundheitsministerin des Landes, Diana Golze (Die Linke), eingeräumt: „Ich entschuldige mich. So etwas darf sich nie wiederholen.“ Allerdings blieb auch in der Anhörung des Gesundheitsausschusses unklar, wieso die Leitung des Ministeriums und die Landesaufsicht (LAVG) nicht informiert wurden. Gegen den zuständigen Referatsleiter Volker G. wurde inzwischen Anzeige erstattet. Es besteht offenbar der Verdacht, dass vorsätzlich Informationen durch G. zurückgehalten wurden. Außerdem wurde mitgeteilt, dass Lunapharm trotz des Handelsverbot noch am Freitag versuchte, Arzneimittel aus ihrem Lager zu schaffen. Das Unternehmen bestreitet dies.

„Am 7. März 2017 hätte ein Rückruf der Arzneimittel erfolgen müssen“, sagte Golze in der Sondersitzung des Gesundheitsausschusses des Landtages Brandenburg. Sie bedauere „zutiefst“, dass die zuständigen Abteilungen nicht früher reagiert hätten. Es sei nicht auszuschließen, dass dahinter auch „kriminelle Energie“ stecke. Außerdem sei sowohl im Ministerium als auch im LAVG gegen „täglich praktizierte Regeln“ verstoßen worden. Sie habe sich zu lange auf die Informationen aus ihrem Hause verlassen, räumte Golze ein.

Als Schlüsselfigur der Versäumnisse gilt der bisherige Referatsleiter Volker G. Dieser war 2017 vom LASG in das Gesundheitsministerium gewechselt. Am 7. März hatte G. eine Anfrage griechischer Behörden auf Amtshilfe erhalten. Diese Anfrage wurde weder an die Leitung des LAVG weitergeleitet noch an das Ministerium. „Die Kommunikation ging völlig an mir vorbei“, sagte LAVG-Präsident Detlev Mohr. Er sei von seinen Mitarbeitern falsch oder gar nicht informiert worden. Auch von der Anfrage des ARD-Magazin Kontraste zu den Vorgängen um Lunapharm habe er nichts erfahren.

Mohr musste einräumen, dass er auch nicht über die Aussage einer LAVG-Mitarbeiterin gegenüber dem Landeskriminalamt im Auftrag der Potsdamer Staatsanwaltschaft erfahren habe. Normalerweise müssen solche Aussagen vom Präsidenten genehmigt werden. Daher habe er Anzeige gegen den früheren Dezernatsleiter Volker G. gestellt, um prüfen zu lassen, „ob es Vorsatz gab“. Nur so seien die Vorgänge zu erklären. In der Befragung zogen sich Golze wie auch Mohr immer wieder auf die üblichen Dienstwege zurück. Persönliche Versäumnisse wiesen sie zurück.

Inzwischen gab es nach Angaben von Golze bei Lunapharm am letzten Sonntag eine Durchsuchung der Privat- und Geschäftsräume. Dabei wurde die 31 Rückstellproben beschlagnahmt, versiegelt und zur weiteren Analyse in verschiedene Labore überstellt. Zuvor hatte das LAVG am Freitag bei Lunapharm eine „Inspektion“ durchgeführt und dem Pharmahändler die Betriebserlaubnis entzogen.

Dabei sei ein am Freitagmittag noch erfolgter Transport durch Lunapharm aufgefallen, obwohl der Firma bereits ein Handelsverbot auferlegt worden war. Laut Golze nannte Lunapharm zunächst eine falsche Lieferadresse. Später wurde der fragliche Transporter dann in Hof auf dem Weg nach Bayern von der Polizei gestoppt. Über die im Transporter befindliche Ware machte Golze keine Angaben. Allerdings erfolgte daraufhin eine zweite Strafanzeige gegen eine LAVG-Mitarbeiterin. Offenbar besteht der Verdacht, dass Lunapharm aus dem LAVG über die anstehende Inspektion informiert wurde.

Geschäftsführerin Susanne Kraut-Zeitel will das so nicht stehen lassen: Zwar bestätigte sie gegenüber APOTHKEE ADHOC, dass am Freitag noch ein Transporter abgefahren sei, allerdings noch vor dem behördlichen Verbot. Selbstverständlich habe man sich anschließend an die Auflagen gehalten.

Womöglich ist Brandenburg ein guter Standort für dunkle Arzneimittelgeschäfte: Aktuell gibt es in der Landesaufsicht LAVG nur einen einsatzbereiten GMP-Inspektor bei 67 zu kontrollierenden Betrieben. Die Stelle des Dezernatleiters ist unbesetzt, weil Volker G. 2017 ins Ministerium abgeordnet wurde. Eine GMP-Inspektorin geht Ende dieses Monat in den Ruhestand. Die für Lunapharm zuständige GMP-Inspektorin wurde freigestellt, weil gegen sie Anzeige erstattet wurde. Zum Vergleich: Laut Angaben im Gesundheitsausschuss betreut ein GMP-Inspektor in Bayern dagegen nur acht Betriebe. Bei Auslandsinspektionen ist Brandenburg auf Amtshilfe anderer Länder angewiesen.

Am 4. April 2017 vertrat Volker G. in der monatlichen LAVG-Leiterbesprechung mit Präsident Mohr seine Abteilungsleiterin. Unklar ist, ob er dazu berechtigt war. Darin wurde der Lunapharm-Fall von ihm angesprochen. Laut Mohr erwähnte G. aber lediglich die Kommunikation mit den griechischen Behörden über die Großhandelserlaubnis der an Lunapharm liefernden Athener Apotheke. Der Diebstahlverdacht sei nicht angesprochen worden.

Nach Angaben von Ministerin Golze wird die inzwischen eingerichtete Hotline zum Lunapharm-Skandal intensiv von verunsicherten Patienten, aber auch von Apothekern genutzt. Seit Freitag gab es insgesamt 650 Anrufe. Ein Teil der Anrufer (95) meldete sich aber zum Valsartan-Rückruf.