Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) ist bald wieder in CDU-Hand – der Koalitionsvertrag und auch das Positionspapier der Abda liegen vor; beinahe zeitgleich. Wie sich das Gesundheitswesen nach der Bundestagswahl entwickeln wird, darüber diskutierte heute Abend Abda-Präsident Thomas Preis mit Politik, Kasse und der Ärzteschaft. Gegenwind gab es für die Ausweitung der Dauermedikation, Zustimmung für die Honorarerhöhung. Doch die strukturschwachen Apotheken müssten weitergedacht werden. Preis hat bereits „ein sehr effizientes Modell im Kopf“.
Die Politik hat erkannt, dass öffentliche Apotheken sehr wichtig und entscheidend sind für die Versorgung der Bevölkerung, so Preis. Die Apotheken haben ein eigenes Kapitel im Koalitionsvertrag bekommen. Die Anstrengungen während des Wahlkampfs sind endlich auf fruchtbaren Boden gefallen, macht der Abda-Präsident klar. Jetzt kommt es darauf an, diese Koalitionsvorhaben schnell umzusetzen. Es muss sofort gehandelt werden – Stichwort Apothekensterben.
Mit dem Positionspapier wurde ein Angebot an die Politik gerichtet, um in den Dialog und in die politische Diskussion zu kommen. „Es war Zufall oder eine Glückssache, dass wir pünktlich zum Koalitionsvertrag – quasi zeitgleich – das Papier veröffentlicht haben“, so Preis. Der Druck auf das Gesundheitssystem werde aufgrund des demographischen Wandels enorm steigen und Apotheken müssten mehr Verantwortung übernehmen. Der Koalitionsvertrag zeige, dass die neue Regierung die Apotheke als Heilberufsstätte ausbauen will, dass sie mehr Präventionsleistungen übernehmen, aber auch weiterhin die Arzneimittelversorgung sicherstellen sollen.
Dass die Apotheken mehr Aufgaben übernehmen wollen, zeigt das Abda-Positionspapier. Kund:innen sollen mit Hilfe der Apotheken schneller und unkomplizierter versorgt werden. Zudem sollen die Betriebsstätten bei der Prävention eine größere Rolle spielen. „Die Gesundheitskompetenz nimmt in unserem Land ab“, so Preis. Leichtes Fieber oder ein Mückenstich gehören nicht in die Notfallambulanz, Apotheken könnten entlasten. Pharmacy first. Der Abda-Präsident fordert mehr Eigenverantwortung im Gesundheitssystem.
Apotheken sind in der Fläche ein Anker in der Bevölkerung, so Dr. Stephan Hofmeister, stellvertretender Vorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und Präsident des Bundesverbandes der Freien Berufe. Eine Apotheke vor Ort ist mehr als nur eine Dispensierstelle für Arzneimittel. Jede Überlegung, was eine Apotheke zusätzlich leisten kann, ist richtig, so der Mediziner. Doch die Verlängerung der Dauermedikation wie im Positionspapier vorgeschlagen, gehe zu weit.
Die Abda schlägt vor: Apotheken sollen Patient:innen mit Dauermedikation eine Verlängerung eines bereits eingelösten Rezeptes ermöglichen können – ohne Arztrücksprache – vorausgesetzt, Versicherte und deren Medikation sind der Apotheke bekannt. Mit der zusätzlichen Packung sollen unnötige Besuche in der Notaufnahme vermieden werden. Arztpraxen und Notfallambulanzen würden entlastet und Patient:innen Zeit gespart.
Hofmeister spricht sich dagegen aus. „Ich kann nicht so weit gehen, dass in der Apotheke medizinisch entschieden wird, ob ein Medikament weiter gegeben wird.“ Es gebe jedoch Grenzfälle und Dinge, über die man reden könne. „Es gibt Länder, in denen in den Notfallambulanzen und Praxen dispensiert werden kann. Das würde das Problem von einer anderen Seite lösen. Funktioniert auch tadellos. Da rufen wir nicht unbedingt danach, aber das können wir.“
Hofmeister spricht sich auch gegen das Impfen in der Apotheke aus. Um die Indikation für eine Impfung zu stellen, brauche es ein Medizinstudium. Es gehe nicht um die Technik des Impfens. MFA nehmen das Handwerk des Spritzens vor, „das kann ich auch einem ungelernten Schüler beibringen – dauert zwei Tage“, so Hofmeister. „Die Verantwortung ob und welcher Impfstoff bei welcher Komorbidität und welcher Indikation geimpft wird und was passiert, wenn der Patient kollabiert, und die Maßnahmen losgehen bei einem anaphylaktischen Schock, der selten ist, aber vorkommt, da wünsche ich keinem Apotheker, dass ihm das passiert in der Apotheke.“
Im Koalitionsvertrag ist eine einmalige Erhöhung des Fixums auf 9,50 Euro festgehalten. Doch bis die bei den Apotheken ankommt, kann es noch dauern. Die CDU-Gesundheitsexpertin und Gesundheitsökonomin Simone Borchardt skizziert den Zeitplan: Jetzt gebe es den Koalitionsvertrag, dann müsse abgewartet werden, wie das Ministerium aufgestellt wird und die Ausschüsse besetzt werden. Erst dann gehe es ans richtige Arbeiten. Wie schnell dann die PS auf die Straße kommen, hänge von den handelnden Akteuren ab.
Die Frage sei zudem, wie das System in der Breite finanziert werde – was ist mit Apotheken in strukturschwachen Regionen, fragt Dr. Patricia Ex, BKK-Dachverband. Die Erhöhung des Fixums auf 9,50 Euro fördere die Apotheken, die viele Packungen abgeben – das sind die, finanziell gut aufgestellt sind. Denkbar wären ein Grundsockel und ein Aufschlag für die strukturschwachen Apotheken, die wenige Packungen abgeben.
„Der Ansatz ist genau richtig, dass wir in Gebieten, wo zu wenig Apotheken sind, wir uns eine Förderung überlegen müssen“, so Preis. Daher ist der Grundansatz im Koalitionsvertrag richtig. Allerdings müsse auch darauf geachtet werden, dass die Arzneimittelpreisverordnung eingehalten werde. „Wir haben da schon ein sehr effizientes Modell im Kopf, was wir mit der Politik besprechen, dass die Förderung in strukturschwachen Gebieten funktioniert.“ Dabei dürfe man sich aber nicht auf das Land konzentrieren, auch in den Städten schließen immer mehr Apotheken.
„Im Großen und Ganzen bin ich zufrieden“, so Borchardt zum Koalitionsvertrag. „Die Richtung ist für mich völlig in Ordnung.“ Dennoch muss die Politikerin Wasser in den Wein geben. „Was die GKV-Finanzierung und die Finanzstabilisierung betrifft, ist mir das zu dünn.“ Es gebe noch Ressourcen im System, die gehoben werden können. „Ich würde mir auch eine Hausapotheke wünschen“, so Borchardt. Das Schubladendenken müsse aufhören, es fehle die Komplexität. Das System müsse als Ganzes und nicht in Sektoren betrachtet werden. „Wenn wir eine Krankenhausreform machen, müssen die Ärzt:innen und Apotheken mitgedacht werden.“
„Wir haben harte Jahre hinter uns, das Wichtigste für die Ärzteschaft ist ein Ministerium, das mit uns wieder in den Dialog geht“, so Hofmeister. Für den Arzt liegt die Problematik der vergangenen drei Jahre in einer Person – konkret im fehlenden Dialog, es wurde nur Meinungsaustausch betrieben.
Preis sieht im Koalitionsvertrag ein Wechsel des Politikstils. Der Abda-Präsident ist froh, dass das BMG in CDU-Hand ist. Die Erfahrung zeige, dass das BMG bei der CDU in besseren Händen ist.