Parteivorsitz

Kompromisskandidat: Günther lobt Spahn

, Uhr aktualisiert am 10.09.2020 09:43 Uhr
Berlin -

Eigentlich will die CDU Anfang Dezember ihre neue Parteiführung wählen. Wegen Corona musste die Wahl bereits einmal verschoben werden. Mit der zweiten Corona-Welle ist jetzt auch der zweite Anlauf in Gefahr. Denn ob 1001 Delegierte tatsächlich in einer Halle gemeinsam über den neuen Parteichef abstimmen können, hat die CDU nicht in der Hand. Umso mehr wächst in der CDU der Wunsch, die offene Führungsfrage einvernehmlich zu lösen und eine Kampfabstimmung zu vermeiden. Bisher sind aber weder Friedrich Merz, noch Norbert Röttgen und vor allem nicht NRW-Ministerpräsident Armin Laschet bereit, ihre Kandidaturen aufzugeben.

Heute reist Laschet an die Nordsee und stattet Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) den vor langer Zeit vereinbarten Besuch ab. Das ist für Günther die willkommene Gelegenheit, sich bei Laschet für einen Kompromiss im Ringen um den CDU-Vorsitz einzusetzen. Er wolle bei seinem Treffen mit Laschet an diesem Montag darüber sprechen, „wie die Kandidaten doch noch zusammenkommen könnten“, sagte Günther zeitlich passend platziert der „Welt“. „Eine knappe Entscheidung, wie wir sie bei der letzten Vorsitzendenwahl zwischen Annegret Kramp-Karrenbauer und Friedrich Merz hatten, wäre kein guter Einstieg in ein Bundestagswahljahr.“ In der CDU gibt es Befürchtungen, dass die Partei bei einem knappen Ausgang der Wahl zwischen Laschet und Merz gespalten in das Superwahljahr 2021 mit mehreren Landtags- und der Bundestagswahl gehen könnte.

Aber nicht nur das: Günther versäumt es nicht, Bundesgesundheitsminister Jens Spahn zu loben: „Ich nehme eine verbreitete Stimmung in der Partei wahr, dass jetzt nicht die Zeiten sind, in denen man lange Personaldebatten führen sollte“, sagte Günther. Über Spahn sagte er: „Es ist bekannt, dass ich Jens Spahn sehr schätze. Er macht als Bundesgesundheitsminister einen extrem guten Job. Von daher hat er bei dem, was er tut, meine absolute Unterstützung.“

In der Union wird nicht nur hinter vorgehaltener Hand seit einiger Zeit darüber diskutiert, ob es im Team Laschet-Spahn noch einen Rollentausch geben sollte – und Spahn an Stelle von Laschet als CDU-Chef kandidieren könnte. Hintergrund waren die gesunkenen Beliebtheitswerte von Laschet im Verlauf der Corona-Pandemie. Spahn hat sich aber wiederholt zur Teamlösung mit dem Ministerpräsidenten bekannt. Neue Nahrung erhalten diese Gedankenspiele dennoch wieder durch jüngste Umfrageergebnisse: Im Zuge der Corona-Krise haben laut einer Forsa Umfrage vom letzten Wochenende Kanzlerin Angela Merkel, Spahn und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) deutlich an Zustimmung gewonnen.

Im Vergleich zur letzten Untersuchung, die vor Beginn der Pandemie im Januar stattfand, sei das Vertrauen zu Söder in Deutschland um 17 Punkte gewachsen, das Vertrauen zu Spahn um 13 Punkte, teilte RTL am Samstag zur Veröffentlichung des vom Forschungsinstitut Forsa ermittelten Rankings mit. Kanzlerin Merkel legte um 12 Punkte zu. Laschet verlor.

Die rund 1500 Befragten konnten bei der Vertrauensfrage bis zu 100 Punkte vergeben. Demnach führt Merkel die Liste mit einem Mittelwert von 71 Punkten weiter an. Grünen-Chef Robert Habeck, bisher Platz 2, rutschte auf Rang 5 ab. Auf Merkel folgen nun CSU-Chef Söder (59 Punkte), Finanzminister und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz (51), der 5 Punkte hinzugewann, und Jens Spahn (50). Die größten Verlierer im Ranking sind neben FDP-Chef Christian Lindner (-10 Punkte) NRW-Ministerpräsident Laschet und Friedrich Merz (jeweils -6 Punkte).

Daher hatten sich bereits zuvor in der CDU Sorgen breit gemacht, dass am Ende ausgerechnet Friedrich Merz aus dem Kandidatenrennen als lachender Sieger hervorgehen könnte. Zwar hat die Corona-Pandemie den Kandidaten Merz in den politischen Hintergrund verbannt. Aber Merz kann sich der Unterstützung des konservativen Flügels der CDU ebenso sicher sein, wie der des Wirtschaftsflügels. Laschet hingegen hat auch in den eigenen Reihen viele Sympathien mit seinem ungeschickten Vorgehen in der Corona-Politik verspielt.

Mit seinem Appell, eine einvernehmliche Lösung der CDU-Führungsfrage zu erreichen, reiht sich Günther damit in den Kreis derjenigen ein, die beim Tandem Laschet-Spahn einen Führungswechsel fordern. Michael Hennrich und weitere Unionspolitiker aus Baden-Württemberg warben kürzlich dafür, dass Spahn neuer CDU-Bundesparteichef wird. Der Bundestagsabgeordnete Hennrich sagte der Stuttgarter Zeitung und den Stuttgarter Nachrichten: „Laschet, Merz und Röttgen sollten über den Sommer in sich gehen und überlegen, ob sie der Partei wirklich noch den notwendigen Impuls geben können oder nicht doch lieber den Weg frei machen für einen echten Generationswechsel.“

Er fügte an: „Wir dürfen nicht die Augen vor der Stimmung im Land verschließen, die ganz klar zugunsten von Spahn und Söder geht, weil sie in der Corona-Krise ihre Feuertaufe bestanden haben.“ Gegenüber APOTHEKE ADHOC hatte Hennrich bereits seine Favoriten benannt: „Markus Söder und Jens Spahn haben sich in der Corona-Krise als Politiker bewiesen.“ Beide würden die Union ohnehin in den nächsten Jahren prägen: „Sie stehen für eine moderne und aufgeklärte Politik. Wir können beide ruhig schon jetzt in die Verantwortung als Kanzlerkandidaten nehmen“, so Hennrich.

Allerdings hat auch Spahn die Sommerpause nicht ohne unangenehme Schlagzeilen überstanden. Er leitete rechtliche Schritte gegen Berichterstattung über den Kauf einer Luxusvilla im Berliner Nobelstadtteil Dahlem ein. So etwas kann mehr politischen Schaden als rechtlichen Nutzen bringen. RTL-Kommentator Benjamin Konietzny jedenfalls bewertete die Angelegenheit so: „Die Corona-Krise hat die wirtschaftlichen Existenzen sehr vieler Menschen in diesem Land ausgelöscht. Und viele weitere Menschen müssen in der tiefsten Wirtschaftskrise seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs den Gürtel teils deutlich enger schnallen.“ Ein Minister, der sich genau in einer solchen Zeit für Millionen eine Luxus-Immobilie kaufe, gestalte sein Privatleben. „Aber er bestätigt auch das Klischee vom abgehobenen, volksfernen Politiker und beweist mindestens ein gehöriges Maß an Geschmacklosigkeit und mangelndem Fingerspitzengefühl.“

Anmerkung der Redaktion: Spahn und sein Ehemann Daniel Funke haben versucht, die Berichterstattung über den Villenkauf anwaltlich untersagen zu lassen. In einem anderen Streit hat das Landgericht Hamburg dies zurückgewiesen, aber die genaue Nennung von Kaufpreis, Darlehen und Grundschuld im Eilverfahren verboten. Wir haben daher den Betrag entfernt.

 

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