„Menschen sind erleichtert“

Kommune gerettet: Apotheke kurzfristig übernommmen

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Berlin -

Mehrere Jahre lang war die Itzgrund-Apotheke in der gleichnamigen Gemeinde im Landkreis Coburg von der Schließung bedroht. Die Inhaberin wollte in Rente gehen und fand keinen Nachfolger. Schließlich erklärte sich Apotheker Sami Shalalda kurzfristig bereit, die Itzgrund-Apotheke ab Juli 2024 weiterzuführen. Dies sorgte bei den Menschen vor Ort für Erleichterung, denn sonst wäre die Kommune mit 15 Gemeindeteilen ohne Apotheke dagestanden. Auch in den Nachbargemeinden ist die Versorgung eher dünn.

Sami Shalalda ist bereits Inhaber der St.-Nikolaus-Apotheke in Breitengüßbach (Landkreis Bamberg) und übernimmt die Itzgrund-Apotheke zusätzlich. Das bedeute viel Arbeit, aber: „Hier auf dem Land sind die Leute besonders dankbar“, betont er. Vor allem „aus menschlichen Gründen“ habe er sich dazu entschieden, in der ländlichen Region zu bleiben.

Die Zahl der Apotheken sinkt. Nach Angaben der Bayerischen Landesapothekerkammer (BLAK) wurden 2023 in Bayern 106 Apotheken geschlossen. Insgesamt ging die Zahl der Apotheken im Freistaat von 2882 auf 2786 zurück.

Ein großes Problem sei, dass Apotheken immer höhere Kosten bewältigen und immer mehr Aufgaben übernehmen müssten, sagt Apothekerin Nina Luft, Mitglied im Beirat des Bayerischen Apothekerverbandes (BAV) und Delegierte der BLAK. Da jede Apotheke als Einzelunternehmen oder offene Handelsgesellschaft (OHG) geführt wird, haftet der Inhaber mit seinem Privatvermögen für mögliche Verbindlichkeiten.

Situation ist angespannt

Allerdings seien die Honorare der Apotheken schon über 20 Jahren nicht einmal an die Inflation angepasst worden, kritisiert Nina Luft, die in der St.-Nikolaus-Apotheke Breitengüßbach mitarbeitet: „Pro abgegebenem Medikament erhalten wir 8,35 Euro für die Beratungsleistung, wovon derzeit zwei Euro an die Krankenkassen abgeführt werden müssen.“ Die Bundesvereinigung der Deutschen Apothekerverbände (ABDA) fordert eine Erhöhung auf zwölf Euro, um der Kostenentwicklung gerecht zu werden.

Die finanzielle Situation der Apotheken gilt inzwischen als sehr angespannt. Rechnet man die Umsätze aller bundesweit 18.000 Apotheken zusammen, kommt man nach Angaben der ABDA auf einen durchschnittlichen Jahresumsatz von vier Millionen Euro und ein mittleres Betriebsergebnis von etwa 160.000 Euro. Der Großteil der deutschen Apotheken liege aber unter dem Durchschnitt, betont Nina Luft.

Für verschreibungspflichtige Arzneimittel gilt in Deutschland eine Preisbindung. Diese garantiert, dass in allen deutschen Apotheken ein verschreibungspflichtiges Medikament jederzeit zum selben Preis zu bekommen ist. Gleichzeitig hat sie zur Folge, dass Apotheken Umsatzrückgänge und steigende Fixkosten nicht durch Preiserhöhungen ausgleichen können.

Mehr Notdienste

Immer mehr Arbeitszeit gehe für Bürokratie und die Verwaltung von Lieferengpässen drauf, sagt Nina Luft. Oft komme es vor, dass ein dringend benötigtes Medikament gerade nicht lieferbar sei. Dann müsse die Apotheke mit dem verschreibenden Arzt Rücksprache halten, um schnell eine alternative Lösung für den Patienten oder die Patientin zu finden.

Außerdem müssen Apotheker immer häufiger Notdienste übernehmen: Früher musste eine Apotheke durchschnittlich alle 27 Tage einen 24-stündigen Notdienst übernehmen, heute schon alle 21 Tage. „Die Nachtschicht übernimmt meistens der Inhaber“, sagt Sami Shalalda. Bei der Itzgrund-Apotheke, die er kürzlich übernommen hat, fällt sogar alle 13 Tage ein Notdienst an.

Gleichzeitig konkurrieren Apotheken mit anderen Arbeitgebern um pharmazeutisch ausgebildete Fachkräfte. Bei Krankenkassen, Krankenhausapotheken und Pharmaunternehmen seien die Verdienstaussichten oft besser, sagt Nina Luft. Zudem gebe es immer weniger pharmazeutisch-kaufmännische Angestellte (PKA). Deshalb müssten Apothekerinnen und pharmazeutisch-technische Assistenten (PTA) deren Aufgaben oft noch zusätzlich übernehmen. Dazu gehören Warenabwicklung, Einkauf, Lagerhaltung und Rechnungskontrolle. „Der Fachkräftemangel macht sich auch in unserer Berufsgruppe bemerkbar“, sagt Luft.

Botendienst lohnt nicht

Sind Online-Apotheken ein Ausgleich für die schwindende Versorgung auf dem Land? Shalalda und Luft glauben das nicht. „Wir sind deutlich schneller“, betont Luft. „Innerhalb von 24 Stunden bekommen wir drei bis vier Lieferungen aus dem Großhandel.“ Außerdem könne die Apotheke vor Ort persönlicher beraten und bei Rückfragen zu einer Verordnung schneller Rücksprache mit dem Arzt halten.

Oft bringen Mitarbeiter der Apotheke Patienten, die nicht mobil sind, die Medikamente nach Hause. Lukrativ sei das nicht, betont Shalalda: „Manchmal fahren wir 50 Kilometer und verdienen quasi nichts.“ Beispielsweise für Menschen, die an Inkontinenz leiden und Windeln benötigen, sei persönliche Betreuung und Hilfe vor Ort besonders wichtig.

In kleinen Gemeinden wird die Versorgung mit Apotheken immer dünner. Nicht alle studierten Pharmazeuten sind bereit, aufs Land zu ziehen und den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen. Deshalb will Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) mit einer Apothekenreform unter anderem die Situation auf dem Land verbessern. Im Gespräch sind Modelle, bei denen PTA oder Krankenschwestern die Versorgung übernehmen und ein Apotheker bei Bedarf „digital dazugeschaltet“ werden kann.

Zwei Automaten für die Apotheke

BLAK und ABDA halten von solchen Ideen nichts. „Es bedarf zwingend einer Apothekenreform“, teilt eine BLAK-Sprecherin der Deutschen Presse-Agentur mit. „Jedoch muss der Nutzen dieser Reform für die Patientinnen und Patienten größer sein als die damit verbundenen Risiken. Daher lehnen wir insbesondere das Vorhaben „Apotheke ohne Apotheker“ strikt ab.“

Um die Arbeit in der Sankt-Nikolaus-Apotheke in Breitengüßbach effizienter zu gestalten, hat Inhaber Shalalda selbst viel Geld in die Hand genommen und in zwei Automaten investiert. An dem einen können Patienten mit ihrem Rezept ihre Medikamente abholen. Mit einem Greifarm holt die Maschine das Medikament aus dem Lager und gibt es heraus. Der andere Automat ist für das interne Kassensystem der Apotheke. So haben die Mitarbeitenden der Apotheke mehr Zeit für Beratung. Und die Patienten können außerhalb der Öffnungszeiten nach Beratung durch die Apotheke vor Ort ihre Medikamente abholen.

 

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