Kommentar

Zuschauer beim Apothekensterben

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Berlin -

Seit sieben Jahren schließen Jahr für Jahr mehr als hundert Apotheken. Gleichzeitig steigt der Anteil der alten, pflegebedürftigen und multimorbiden Menschen. Der Bedarf an medizinischer und pharmazeutischer Versorgung wächst, während das Angebot schrumpft. Marktwirtschaftlich ist das unlogisch – doch im Gesundheitswesen gelten andere Regeln. An sich ist das gut so, schließlich sollen kranke Menschen nicht dem Markt ausgeliefert werden. Stattdessen sind sie der Politik ausgeliefert. Ob das besser ist?

Seit 2008 – damals gab es die bislang meisten Apotheken in Deutschland – ist deren Zahl um 1348 gesunken. Das entspricht einem Rückgang von 6,2 Prozent. Das größte Minus ist mit 12,1 Prozent in Bremen zu verzeichnen, dort schlossen innerhalb von sieben Jahren 44 Apotheken. Wer Bremen kennt, weiß, dass das auffällt.

Die Gründe für die Schließungen sind vielfältig. Die Gewinnmarge ist im Trend rückläufig. Gleichzeitig nerven immer neue Vorgaben, die Retaxationswut der Kassen und das Gefühl, den eigenen Erfolg nicht mehr in der Hand zu haben. Sicher ist nicht jede einzelne Apotheke versorgungsrelevant – manche Orte waren womöglich wirklich überversorgt oder schlicht zu weit ab vom Schuss.

Aber mit Sicherheit war nicht jede mittlerweile geschlossene Apotheke verzichtbar. Regelmäßig berichten Regionalzeitungen über Geschäftsaufgaben und die damit einhergehenden Probleme. Die Apothekendichte in Deutschland liegt inzwischen bei 24,9 Apotheken pro 100.000 Einwohner – und damit deutlich unter dem EU-Durchschnitt von 31 Apotheken. In Frankreich kommen 35 Apotheken auf 100.000 Menschen. Deutschlands Tabellennachbarn sind Kroatien und die Tschechische Republik.

Man kann von einer natürlichen Marktbereinigung sprechen und von einer Verteilung der Umsätze. Allerdings geht es damit nicht unbedingt allen besser. Apotheken auf dem Land haben nicht die Möglichkeit, sich zu spezialisieren. Und der steigende Anteil an Hochpreisern macht kleinen Apotheken besonders zu schaffen, die teure Arzneimittel nicht vorfinanzieren und gewinnbringend verkaufen können.

Das zeigt, dass der Rahmen, in dem die Apotheken agieren sollen, nicht mehr passt. Der Politik gelingt es derzeit nicht einmal, den Status quo in der Apothekenwelt zu halten, während eigentlich alle Zeichen auf Wachstum stehen müssten. Stattdessen leben viele Apotheken nur noch von Teilen der Großhandelsmarge. Tiefe Einschnitte bei den Konditionen – etwa aufgrund eines schlecht durchdachten Anti-Korruptionsgesetzes – würde für viele das Aus bedeuten.

Eigentlich müsste Politik den Apotheken unter die Arme greifen. Die Regierung müsste dafür sorgen, dass die Pharmazeuten ihrer gesellschaftlichen Verpflichtung – der Versorgung der Menschen mit Arzneimitteln – gerecht werden können. Tatsächlich werden sie immer weiter verunsichert. Das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (GKV-VSG), das geplante Honorar-Gutachten und die Neudefinition des Apothekerberufs sind nur einige Highlights des vergangenen Jahres.

Kein Wunder, dass sich immer weniger Jung-Apotheker in die Selbstständigkeit wagen. Stattdessen steigt die Zahl der Filialen. Das hält die Versorgung zwar zunächst aufrecht, verschiebt das Problem aber nur nach hinten. Denn solange es zu wenig Studienplätze gibt, der Apothekerberuf unattraktiver wird und die Selbstständigkeit Selbstausbeutung bedeutet, werden sich wohl kaum mehr Existenzgründer finden. Und statt Apotheken schließen dann Filialverbünde.

Wer sich schon heute nicht traut, eine Apotheke zu übernehmen, wird wohl kaum vier übernehmen – selbst wenn er eine Bank findet, die das finanzieren würde. Stattdessen werden die Verbünde wahrscheinlich zerschlagen und nur die profitabelsten Apotheken übernommen – wenn überhaupt.

Die Politik darf dabei nicht tatenlos zusehen. Denn der Staat ist letztlich dafür verantwortlich, dass die Menschen im Land gesundheitlich versorgt sind. Und das gilt nicht nur für schnelle Arzttermine, bessere Pflege und versicherte Hebammen, sondern eben auch für Arzneimittel und Apotheken. Es ist wie oft: Wenn man merkt, dass sie fehlen, wird es zu spät sein.

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