Kommentar

Teststreifen-Angriff auf die Apothekenwahl

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Berlin -

Kassen kündigen Verträge oder verhandeln diese neu, um weitere Wirtschaftlichkeitsreserven zu heben. Das ist nichts Ungewöhnliches. Im Hilfsmittelbereich hat ihnen der Gesetzgeber 2007 ausdrücklich erlaubt, Produkte auszuschreiben und Selektivverträge abzuschließen. Für Arzneimittel gilt allerdings weiterhin die freie Apothekenwahl – mit der bisherigen Ausnahme bei Zytos. Die BIG direkt hat nun zum nächsten Angriff darauf geblasen.

Die geplanten Einzelverträge der Kasse über Teststreifen sowie Krankenkost und Diätetika in Berlin dürften zwar nur wenige Versicherte und Apotheken betreffen – doch der Schritt hat systemische Relevanz. Denn die Krankenkasse versucht, die bestehenden Regelungen auszuweiten und Selektivverträge im Arzneimittelbereich zu etablieren.

Im Sozialgesetzbuch ist geregelt, dass Hilfsmittel ausgeschrieben werden dürfen. Was ein Hilfsmittel ist, steht in § 33, was damit geschehen darf, in den §§ 126 und 127. Dort wird den Kassen erlaubt, Hilfsmittel auszuschreiben und Verträge mit Leistungserbringern abzuschließen.

Anders bei Arznei- und Verbandmitteln, die dem § 31 unterfallen. Für diese gilt § 129, der unter anderem die Abgabe des günstigsten Arzneimittels beziehungsweise Rabattarzneimittels vorgibt, die Importquote enthält und die Apotheken zur Abgabe von wirtschaftlichen Einzelmengen verpflichtet. Der entscheidende Unterschied: Die Verträge werden zwischen Kasse und Hersteller geschlossen, die Apotheken sind für die Umsetzung verantwortlich.

Einzelverträge mit Leistungserbringern sind bei Arzneimitteln nicht vorgesehen. Im Gegenteil: In § 31 ist die freie Apothekenwahl verankert. „Für die Versorgung nach Satz 1 können die Versicherten unter den Apotheken, für die der Rahmenvertrag Geltung hat, frei wählen“, heißt es. Und in Satz 1 sind nicht nur Arzneimittel genannt, sondern explizit auch Harn- und Blutteststreifen – für die die BIG direkt nun Einzelverträge schließen will.

Man kann nicht sagen, dass sich die Ausschreibungen Hilfsmittelbereich in der Praxis bewährt hätten. Die Probleme mit dieser Versorgungsform sind so gravierend, dass die Politik jetzt eingreifen will. Wenn etwa ein Versicherter dringend Hilfe benötigt, seinen Insulinpen oder die nötigen Windeln aber nicht in der Apotheke vor Ort bekommt oder zunächst privat zahlen muss. Oder wenn die Hersteller schon bei ihren Geboten mit den Aufzahlungen der unterversorgten Versicherten kalkulieren.

Bei Arzneimitteln ist eine flächendeckende Versorgung noch wichtiger. Denn anders als bei Hilfsmitteln lässt sich der Einkauf selbst in der Theorie nur bedingt vorausplanen, Teststreifen sind dabei als erster Schritt in die falsche Richtung zu verstehen. Eine wirtschaftliche Versorgung ist legitimes Ziel des Gesetzgebers. Dass Patienten im Notfall erst lange nach einer versorgungsberechtigten Apotheke suchen müssen, sicher nicht.

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