Kommentar

Patientenindividuelles Honorar

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Berlin -

Gäbe es einen Sachverständigenrat zur Begutachtung der Gutachten der Sachverständigenräte in Deutschland, würde dieser vermutlich empfehlen, neben den Wirtschafts- auch die Gesundheitsweisen abzuschaffen. Denn unter Effizienzgesichtspunkten muss sich die Regierung keine Professoren in Mannschaftsstärke halten, die immer wieder dasselbe vorschlagen und damit zu recht immer wieder vor die Wand laufen.

In ihrem neuen Gutachten empfehlen die Sachverständigen unter anderem die Einführung einer apothekenindividuellen Handelspanne (AIH). Die Kasse erstattet nur den KEP und wenn der AIH größer ist als der AFS, zahlt der Versicherte drauf. Mit anderen Worten: Die Apotheker sollen mit den Patienten künftig über ihr Honorar verhandeln, und damit es lustig wird, über das des Großhändlers gleich mit.

Zum Thema Preisbindung ist eigentlich alles gesagt. Jede Regierung, egal welcher Farbkombination, hat bislang daran festgehalten. Das Argument ist auch immer dasselbe: Kranke Menschen sollen nicht dazu gezwungen werden, auf Schnäppchenjagd zu gehen.

Man kann das für übertriebene staatliche Fürsorge halten oder für wirtschaftspolitisch ineffizient. Man kann aber auch hinnehmen, dass sich eine Gesellschaft in Form einer demokratisch legitimierten Regierung für diesen Weg entschieden hat. Öffentliche Nahverkehrssysteme, Suppenküchen und Bibliotheken sind wirtschaftlich auch nicht besonders effizient.

Schön ist aus Sicht der Gutachter der Effekt, dass mit ihrem System die flächendeckende Versorgung mit Arzneimitteln garantiert würde: indem man Apotheker mit dem Versprechen in die Peripherie lockt, bei der Landbevölkerung besser abkassieren zu können. Zynischer ging es wohl nicht.

Warum aber dann Halt machen bei der AIH? Warum nicht gleich PIH – patientenindividuelle Handelsspanne? Ein gehbehinderter Kassenpatient wird es sich vielleicht zweimal überlegen, ob er den intensiven Wettbewerb zwischen den Apotheken wirklich in Anspruch nimmt. Akut Erkrankte dürften ebenfalls eher bereit sein, mehr für ihre dringend benötigten Medikamente zu bezahlen. Die Sachverständigen könnten gleich einmal ausrechnen, welchen Beitrag schwerst Kranke für eine „effizientere Produktionsweise“ einer Apotheke leisten könnten, selbst wenn diese eine „suboptimale Betriebsgröße“ (kleine Bude) hat.

Aber die Experten haben diese nahe liegende Kritik an ihrem nachfrageinduzierten Preissystem natürlich vorhergesehen – und vorgebeugt: Damit die Landapotheken den Landadel nicht vollkommen auspressen, sollen die Ärzte eine begrenztes Dispensierrecht erhalten. Im nächsten Gutachten steht dann hoffentlich, wie ein solches System zu steuern wäre und was genau daran besser und gerechter wäre als an dem heutigen.

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