Als Antwort auf das EuGH-Urteil will Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) jetzt nach zwölf Jahren den Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimittel verbieten. Nach dem Nein der SPD ist dafür in der Koalition keine Mehrheit in Sicht. Und mit den Krankenkassen hat Gröhe einen weiteren gewichtigen Befürworter des Rx-Versandhandels gegen sich. Noch bevor Gröhes riskantes Manöver so richtig an den Start gehen kann, stehen die Signale auf Rot. Die ABDA kann ihre Kampagne einstellen und das Geld für andere Zwecke sparen. ein Kommentar von Lothar Klein.
Noch bevor das politische Tauziehen um das Rx-Verbot so richtig starten konnte, ist es schon wieder vorbei. Das Njet der SPD lässt die Hoffnungen wie eine Seifenblase zerplatzen. So tief das EuGH-Urteil die ABDA auch geschockt haben mag, jetzt dürfte ihr der Schreck erst recht in die Glieder fahren. Die zarten Hoffnungen der letzten Tag, dass sich in Bundestag und Bundesrat doch eine Mehrheit für das Aus des Rx-Versand finden könnte, haben ein heftigen Dämpfer erfahren. Die ABDA-Kampagne mit Karabinerhaken auf rotem Grund kann die ABDA zu den Akten legen. Wer soll jetzt noch vom Rx-Versandverbot überzeugt werden?
Das Geld sollte die ABDA stattdessen in einen Plan C oder D stecken, der bessere Realisierungschancen bietet. Zuerst hatte sich die ABDA auf die EuGH-Richter verlassen und sich verspekuliert. Dann hat die ABDA alles auf die Karte Rx-Verbot und Gröhe gesetzt und hat wieder das Nachsehen. Jetzt muss sie zeigen, ob sie eigenen Ideen in der Schublade hat, wie sich die Vor-Ort-Apotheken gegen den Internetwettbewerb im Zeitalter der Rx-Boni bestehen können.
Ansatzpunkte gäbe es schon: Die Regeln für den Versandhandel könnten beispielsweise bei der Temperaturführung verschärft werden. Das müssten die Apotheken dann aber auch beim Botendienst erfüllen und der Großhandel sowieso. Ebenso könnte man bei der Beratung die Vorschriften anziehen. Und da wären noch die Überlegungen, den Rx-Bonus von DocMorris & Co. nicht an die Patienten, sondern in den Gesundheitsfonds fließen zu lassen. Damit verlöre der Bonus seinen Reiz.
Aber was macht jetzt Gesundheitsminister Gröhe? Gibt er seinen Plan für das Rx-Versandverbot auf oder kämpft er für die Apotheken. Karl Lauterbach ist Karl Lauterbach, aber nicht die SPD. Sein Nein zur Vertraulichkeit der Erstattungspreise klang ebenso kategorisch. Gröhes Entwurf passierte dennoch das Kabinett. Der EuGH und jetzt Lauterbach zwingen Gröhe aus seiner politischen Komfortzone.
Der Bundesgesundheitsminister muss Farbe bekennen: Wie viel sind Gröhe die Vor-Ort-Apotheken in Deutschland tatsächlich wert? Zum ersten Mal muss sich der gelernte Parteipolitiker in einer heiklen Frage gesundheitspolitisch positionieren und um Mehrheiten kämpfen. Hermann Gröhe hat sich für ein riskantes Manöver entschieden.
Gröhes Vorhaben ist gleich aus mehreren Gründen riskant: Der Versandhandel erfreut sich in Deutschland branchenweit wachsender Beliebtheit. Unterhaltungselektronik wird ebenso im Internet bestellt wie Möbel, Kleidung oder sogar zunehmend Nahrungsmittel. Die Branche boomt und die Verbraucher haben allem Anschein nach kein Problem damit – im Gegenteil. Jetzt den Rx-Versandhandel zu verbieten, wäre Politik gegen den Mainstream.
Die politischen Punkte, die Gröhe bei den 20.000 Apotheken verbuchen könnte, verliert möglicherweise in noch größerem Ausmaß bei den Verbrauchern. Für jedem Patienten ist zwar die flächendeckende, wohnortnahe Versorgung ein wichtiges Gut. Aber: Chronikern die Möglichkeit der Bestellung im Internet wegzunehmen, dürfte dort ebenso wenig auf Gegenliebe stoßen.
Die politische Bilanz eines Rx-Versandverbotes ist also nur schwer zu kalkulieren. Mehr noch: Will Gröhe mit einem Rx-Versandverbot seiner Amtszeit den Stempel als Totengräber von DocMorris und Co. Aufdrücken lassen? Das Medienecho des „Apothekenministers“ müsste der CDU-Politiker genauso fürchten.
Womöglich hat Gröhe nach dem bewährten Politiker-Kalkül – Es muss etwas passieren, es darf aber nichts geschehen – das Scheitern des Rx-Versandverbots eingeplant. Die Hürden für die politische Umsetzung eines Rx-Verbotes liegen nach dem Nein von Lauterbachs noch höher als zuvor. Der Gesundheitsminister müsste die Verfassungsressorts von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) und von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) vom der rechtlichen Unbedenklichkeit überzeugen. Und am Ende des steinigen Weges stünde dann die EU. Bis dahin könnte sich der Gesundheitsminister bei den Apothekern als Vorkämpfer für ihre Existenz anpreisen. Scheitert ein Rx-Versandverbot, sind andere schuld.
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