Rebscher hat Recht Alexander Müller, 18.02.2015 12:12 Uhr
DAK-Chef Professor Dr. Herbert Rebscher ist kein Mann der großen Diplomatie: Wenn er Apotheker mit Schlossern vergleicht und Nullretaxationen als gerechtfertigtes Mittel verteidigt, wird er wissen, was er damit auslöst. Der Aufschrei unter den Apothekern war so laut, dass sich am Ende sogar der Deutsche Apothekerverband (DAV) genötigt sah, Rebscher öffentlich in die Schranken zu weisen. Dabei hat der Kassenchef – aus seiner Perspektive – Recht, das Problem liegt woanders. Ein Kommentar von Alexander Müller.
Rebscher sieht die gesetzliche Grundlage. Demnach sind Vollabsetzungen zulässig, wenn ein Rezept nicht ordnungsgemäß beliefert wird. Das Bundessozialgericht (BSG) hat dies konkret für die Beachtung der Rabattverträge bestätigt, das Bundesverfassungsgericht hat dieses Urteil abgesegnet. Mehr geht juristisch nicht.
Die Kassen machen von dieser Möglichkeit in unterschiedlichem Ausmaß Gebrauch, die DAK zählt dabei sicher nicht zu den nachsichtigsten Vertretern im GKV-Lager. Aber sie bewegt sich auf dem Boden des Legalen: Mehrere Verfahren zu eindeutigen Formretaxationen hat die Kasse schon vor den Sozialgerichten gewonnen. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist das Vorgehen der Kasse vernünftig, über die moralische Dimension kann man immer streiten. Muss Rebscher aber nicht.
Dass Nullretaxationen aufgrund von Formfehlern ein vollkommen inadäquates Sanktionsinstrument sind, ist eigentlich ausdiskutiert. Die Politik war schon einmal so weit: Mit der AMG-Novelle wollte die Union im Jahr 2012 Vollabsetzungen wegen Formfehlern verbieten. Doch dann entschied man sich in letzter Minute gegen eine gesetzliche Regelung – die Selbstverwaltung sollte die Sache unter sich lösen. Seitdem hat sich nichts geändert.
Für die Politik sind Nullretaxationen kein Thema. Wenn ein Apotheker als Einzelhändler unter einer fünfstelligen Absetzung stöhnt, wird sich immer jemand aus dem Bundestag dazu äußern. Mehr aber auch nicht. Denn im Zweifel spart das System einfach Geld. Und der Rückpass zur Selbstverwaltung ist ein probates und sogar halbwegs elegantes Mittel, das Thema wieder loszuwerden.
So auch im aktuellen Gesetzesvorhaben der Großen Koalition, dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (GKV-VSG). Die Apotheker hatten ihr Anliegen wieder vorgetragen. Nullretax wurde aufgegriffen, wird aber wieder nicht geregelt: DAV und GKV-Spitzenverband sollen sich untereinander einigen, heißt es im Entwurf. Die ABDA hat es immerhin geschafft, dass eine Frist für die Einigung ins Gesetz geschrieben werden soll. Nach aktuellem Stand.
Die Selbstverwaltung verhandelt seit Jahren über Nullretaxationen. Aber die Kassen müssten eine Position (und de facto auch Einsparungen) aufgeben, ohne dafür etwas zu bekommen. So viel Verhandlungsgeschick kann die DAV-Kommission um Dr. Rainer Bienfait gar nicht mit an den Tisch bringen, um in dieser Frage Land zu sehen.
Vielleicht hilft die Frist oder das nachstehende Schiedsverfahren. Die Politik unternimmt den – hoffentlich letzten – Versuch, auf das Miteinander der Beteiligten zu setzen. Noch eine Chance sollten die Kassen nicht bekommen. Denn eines ist klar: Bis zu einem Nullretaxverbot wird weiter auf Null retaxiert.
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