Kommentar

Schwatzbild 2030

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Berlin -

Es soll keine Bestandsaufnahme werden, kein Rückblick, nicht das schnöde Hier und Jetzt beschreiben. Es soll eine Vision werden, ein „Leitbild 2030“. Um diesen Anspruch auch dem letzten Unkenrufer einzuhämmern, steht unter der Erstfassung ein Zitat von George Bernard Shaw, das einer sinnierenden Vergangenheitsüberhöhung den verantwortungsbewussten Blick in die Zukunft entgegenstellt. Der Entwurf zum Leitbild ist eine merkwürdige Mischung aus Pathos, Anspruch und Banalitäten.

Dass es ein bisschen staatstragend werden würde, davon musste man spätestens ausgehen, als die erste größere Gruppensitzung „Konvent“ genannt wurde. Konsequenterweise beginnt das Leitbild mit einer „Präambel“. Doch schon im ersten Satz wird es holprig: „Die öffentlichen Apotheken in Deutschland sind die Experten für Arzneimittel.“ Die Apotheken? Erst über die Fußnote erfährt der Leitbildleser, dass damit auch die Menschen gemeint sind, die in einer Apotheke arbeiten.

Vielleicht ist diese kleine Schwäche eine Folge der zahllosen Kompromisse, die in so großer Diskussionsrunde mit wechselnden Streitformaten mühsam gefunden werden mussten. Denn wie ein Flickenteppich mutet das Werk jetzt schon an – und es wird noch weiter mit vielen Händen daran gearbeitet.

Mal wird es rührselig, wenn es um die „partnerschaftliche Beziehung“ zum Patienten geht, mal geradezu aufsässig, wenn die Angemessenheit der Honorierung zur Sprache kommt. Inwieweit konkrete politische Forderungen Teil eines Leitbilds sein sollten, ist eine andere Frage. Die Antwort ist vermutlich dieselbe wie bei den Apotheken als Arzneimittelexperten.

An anderer Stelle legen sich die Apotheker selbst schwere Bürden auf, womöglich zu schwere: Wie will die ABDA der Bevölkerung eine wohnortnahe Versorgung garantieren, wenn die Politik auch künftig zu schlechte Rahmenbedingungen absteckt? Apothekenschließungen wird ein Leitbild nicht verhindern können.

„Nachweislich“ wollen die Apotheker und ihre Mitarbeiter ihr Wissen „stets auf dem aktuellen Stand“ halten. Solche Versprechen sind – womöglich notwendigerweise – so unkonkret, dass sie wertlos sind. Und die jeweils zwei Sätze zur Leistungsbeschreibung von Pharmakovigilanz und Arzneimittelherstellung bringen dann eben doch, was eigentlich vermieden werden sollte: die ziemlich triviale Beschreibung des Status quo.

Vielleicht geht es nicht anders. Vielleicht müssen in einem Leitbild Allgemeinplätze stehen wie: „Unsere Gesellschaft befindet sich in einem tiefgreifenden Wandel, der für die Zukunft des deutschen Gesundheitssystems enorme Herausforderungen mit sich bringt.“

Es bleibt aber der Verdacht, dass man das auch einfacher hätte haben können. „Die Politik ist das Paradies zungenfertiger Schwätzer.“ Ist auch von Shaw.

Die Erstfassung zum Leitbild ist da. Was meinen Sie? Jetzt abstimmen!

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