Kommentar

Alles auf Pauschale

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Berlin -

Wenn zwei sich streiten, hat keiner was davon. Kassen und Apotheker sind es leid, sich immer wieder um den Kassenabschlag zu schlagen. Deshalb haben sie zusammen eine Zahl – 1,77 – auf einen Zettel geschrieben und an den Gesetzgeber geschickt. Der gemeinsame Gang zur Politik ist nach all den Querelen ein erstaunlicher Akt der Eintracht, der Sicherheit bringt – und Risiken birgt.

Die Kassen konnten bei den vorerst letzten Verhandlungen zum Abschlag das Schlimmste verhindern: Ihr Rabatt ist nicht unter den Wert von 1,75 Euro gefallen – für die Kassen eine Demarkationslinie politischer Gesichtswahrung. Zwar musste der GKV-Spitzenverband seine Phantasien von Rabatten jenseits der 2-Euro-Grenze aufgeben, dennoch konnte die vorübergehende Anhebung auf 1,85 Euro als Erfolg verbucht werden.

Die Apotheker waren nach dem Ergebnis zunächst zerknirscht – sie hatten 1,75 minus x angepeilt. Trotzdem können auch sie zufrieden sein, weil der Schiedsstellenvorsitzende Dr. Rainer Hess, ihren Mehraufwand anerkannt und den Rabatt gesenkt hat. Da er bei seinen Berechnungen von dem letzten gültigen Abschlag – jenem AMNOG-Wert 2,05 Euro – ausging, ist der von ihm letztlich herbeigeführte Deal ein ziemlich genialer Coup gewesen.

Der prognostizierte Mehraufwand der Apotheker mündet 2015 in einem Abschlag von 1,77 Euro. Bei diesem Wert soll es künftig bleiben, wenn es nach DAV und GKV-Spitzenverband geht. Der Gesetzgeber soll die Zahl ins Sozialgesetzbuch schreiben.

Damit hätten beide Seiten Planungssicherheit und die Apotheker müssten nicht mehr darauf vertrauen, dass sich die Kassen an einen unabhängigen Schiedsspruch gebunden fühlen und nicht wieder dagegen klagen. Ebenfalls positiv: 1,77 Euro ist kein schlechter Wert. Der Kassenabschlag war in seiner Geschichte nur einmal und nur unwesentlich niedriger. Dass die Politik einen dauerhaft sinkenden Abschlag hingenommen und den Kassen ihren Vorteil gegenüber der PKV genommen hätten, ist unwahrscheinlich – zumal nach dem Abschied der FDP.

Darin liegt künftig aber auch das Risiko der gewünschten Festschreibung. Die Politik kann einfach nichts in Stein meißeln, jedes Wort und jede Zahl im Sozialgesetzbuch ist mit Bleistift geschrieben. In Zeiten klammer Kassen wäre es ein leichtes, den Zwangsrabatt als Sonderopfer aufzurunden. Eine zeitlich befristete oder sogar dauerhafte Erhöhung des Abschlags auf zwei Euro brächte dem System jährlich rund 200 Millionen Euro.

Apropos Geld: Derzeit steht im Gesetz – und Hess hat dies angewandt –, dass die Mehraufwendungen der Apotheker beim Abschlag berücksichtigt werden müssen. Da der Abschlag regelmäßig festgelegt wird, haben die Apotheker aktuell eine dynamische Anpassung ihrer Vergütung. Genau die wünschen sie sich für ihr Honorar. Ob die 1,77 Euro ein Erfolg sind, hängt damit zum großen Teil davon ab, ob der DAV seine Forderung nach einer regelmäßigen Überprüfung der Fixpauschale erreicht oder nicht.

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