Für Hermann Gröhe ist die Sache einfach: Der Arzt prüft vor der Verordnung, welche Arzneimittel der Patient einnimmt, wählt – unter Beachtung aller Neben- und Wechselwirkungen – den richtigen Wirkstoff und das entsprechende Rabattpräparat aus, schreibt es auf das Rezept und in den Medikationsplan. Der Apotheker greift nur noch ins Regal, dankeschön, auf Wiedersehen. Der Schubladenzieher braucht keine bessere Vergütung.
Laut Bundesgesundheitsministerium müssen die Apotheker künftig keine Rabattarzneimittel mehr austauschen, weil der Arzt schlichtweg das richtige Produkt verordnet. Mit Blick auf das Sozialgesetz ist das sogar schlüssig: Ärzte sind verpflichtet, wirtschaftlich zu verordnen. Wenn sie künftig auch die aktuellen Rabattverträge in ihrer Software einsehen können müssen, könnten die Kassen ihnen mit Regressen auf die Sprünge helfen – das Bundessozialgericht wäre bestimmt dabei.
Das ist aber reine Theorie. Denn Ärzte haben keinerlei Anreiz, sich durch den Rabattvertragsurwald zu schlagen. Immerhin muss ihre Software schon heute Rabattverträge anzeigen. Die gelten meist zwei Jahre, die Software wird quartalsweise aktualisiert – die Mediziner könnten also durchaus schon heute von Rabattarzneimittel verordnen. Allerdings tragen die Ärzte, anders als Apotheker, nicht die Letztverantwortung für die Abgabe des Rabattarzneimittels. Und die Kassen können sich an den Apothekern deutlich einfacher schadlos halten – bereits abgesegnet vom BSG.
Weiterer Schönheitsfehler: Selbst wenn sich ein Arzt Mühe gibt und das richtige Rabattarzneimittel heraussucht, ist noch lange nicht gesagt, dass der Patient genau dieses Präparat in der Apotheke erhält. Verträge mit drei Rabattpartnern und Lieferengpässe sorgen dafür, dass es wohl immer Fälle geben wird, in denen erst in der Apotheke die Entscheidung fällt.
Solche praktischen Begebenheiten interessieren Gröhe nicht: Wenn alle Ärzte Rabattarzneimittel verordnen, müssen Apotheker beim Medikationsplan nicht groß mitreden und brauchen ergo auch kein Honorar. Immerhin müssen sie ja nur in den paar Fällen einspringen, in denen ausnahmsweise doch einmal ein anderes Medikament abgegeben oder ein OTC-Präparat dazu gekauft wird.
Würde Gröhe seine rosarote Brille ablegen, bekäme er eine Welt zu sehen, die sich nicht streng nach dem Sozialgesetzbuch richtet. Da gibt es Ärzte, denen ihre Software egal ist, da gibt es Lieferengpässe en masse und so viele unterschiedliche Rabattverträge, dass allein Metoprolol mehrere Schübe füllen würde.
Die Lösung liegt so nah: Gröhe & Co. müssen endlich begreifen, dass das Sozialrecht der Versorgung dienen soll und nicht anders herum. Würde der Apotheker als Arzneimittelexperte und nicht nur als Appendix in der Versorgungskette anerkannt, könnten Ärzte, aber auch Rezeptprüfstellen und Sozialgerichte entlastet werden. Und das sollte doch eigentlich der Traum eines jeden Gesundheitsministers sein.
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