Hecken: Der ewige Schnellschütze Alexander Müller, 18.12.2014 13:10 Uhr
Die Aut-idem-Liste trat „am Tag nach Veröffentlichung“ in Kraft. Das war der 10. Dezember. Dass es nicht einmal eine Frist zur Umsetzung in der Software gab, liegt an Josef Hecken. Der Chef des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) hatte nicht richtig zugehört. Schuldig fühlt er sich deswegen nicht. Er ergreift lieber die Flucht nach vorn und tritt gegen die Apotheker – wieder einmal. Ein Kommentar von Alexander Müller.
Hecken wurde im Vorfeld von den Apothekern auf eine Besonderheit der EDV hingewiesen: Die Software wird immer zum 1. und 15. eines Monats aktualisiert. Der G-BA-Chef hätte also ein Datum in seinen Beschluss schreiben können, etwa „tritt am 1. Januar 2015 in Kraft“. Im Bundesanzeiger wäre die Meldung trotzdem am Dienstag vergangener Woche erschienen und alle Beteiligten – Ärzte, Apotheker, Patienten – hätten noch drei Wochen Zeit gehabt, sich darauf einzustellen. Aber Hecken hatte keine Zeit, er hat nie Zeit. Das war schon damals im Saarland beim Fremdbesitzverbot so.
Eigentlich waren die Apotheker in dieser friedvollen Vorweihnachtswoche hauptsächlich damit befasst, Ware aus- und wieder einzuräumen, weil eine andere Behörde zum Teil mehrfach täglich ihre Liste mit nicht verkehrsfähigen Arzneimitteln aktualisierte. Jetzt müssen sie auch noch Patienten zum Arzt zurück schicken, weil dieser eine „unklare Verordnung“ ausgestellt hat. Das ist vermutlich derselbe Arzt, dem seitens der Kassen und Apotheker in den vergangenen Jahren eingebläut wurde, doch bitte bitte nur Wirkstoffe aufzuschreiben, den Rest erledige die Software.
Dass sich Hecken für diese unnötigen Unannehmlichkeiten entschuldigen müsste, wäre vielleicht zu viel verlangt. Aber er hätte einfach mal nichts sagen können oder ein Bier trinken. Stattdessen ließ er seine Behörde eine umfassende Stellungnahme veröffentlichen, in der er der Apothekerschaft vorwirft, ohne Not Patienten zu verunsichern.
Die Wirkstoffliste sei nicht überraschend gekommen, so Hecken, schließlich habe der G-BA sie bereits am 18. September beschlossen. Das Stellungnahmeverfahren sei sogar schon im Mai eingeleitet worden. Mit Blick auf diese „überaus ansehnlichen Zeitspannen“ sei der Ruf nach einer Vorbereitungszeit für die Umsetzung kaum nachvollziehbar, so Hecken. Den „kleinen Gesetzgeber im Gesundheitswesen“ führt also jemand, der vorauseilenden Gehorsam für selbstverständlich hält.
Hecken gönnt sich noch die Spitze, dass die Apotheker eine nicht unerhebliche Zeit und erfolglos selbst mit der Erstellung der Liste betraut gewesen seien. Mit allzu viel Hintergrundwissen belastet ist auch diese Bemerkung nicht. Hecken hätte vielleicht mitbekommen können, dass die Kassen von Gesundheitspolitikern aller Fraktionen dafür attackiert wurden, die Erstellung der Liste zu blockieren. Warum? Weil der GKV-Spitzenverband damit in den G-BA wollte.
Doch Hecken versucht die Apotheker auch noch bei der Verantwortung zu packen: Mit ihrer Forderung nach einer Übergangsfrist stellen sich die Apotheker aus seiner Sicht gegen die Patientensicherheit. Denn nur dieser diene das Substitutionsverbot, weshalb die „bedingungslose und zügige Umsetzung“ mehr als geboten erscheine.
Der G-BA hatte zum 1. April den Auftrag bekommen, die Aut-idem-Liste bis Ende September zu erstellen. Die Vorarbeit dazu hatten Apotheker und Kassen geleistet, Kriterien und eine Liste mit Vorschlägen gab es bereits. Mit bedingungslosem Einsatz hätten es Hecken und sein Team bestimmt auch geschafft, vor dem 18. September – also „fristgerecht“ – eine Liste zu stricken. Immerhin geht es um die Patientensicherheit.
Und noch einmal: Seit zwei Jahren wird gestritten, die Aktualisierung der Software passiert alle zwei Wochen. Hätte man riskieren können – zumal jetzt die Gefahr besteht, dass sich ein Transplantationspatient zwischen Weihnachten und Neujahr ein neues Rezept besorgen muss.
Hecken als Apotheker würde es vielleicht anders machen und keinen Patienten wegschicken. Er würde das Substitutionsverbot wie damals das Fremdbesitzverbot verwerfen – mit Verweis auf höherrangiges europäisches Recht.