Apotheker und Ärzte werden sich auf der Straße demnächst nicht mehr grüßen. Nicht wegen ARMIN, des Arztstempels oder Retaxationen, sondern weil sie keinen falschen Verdacht erwecken wollen. Leistungserbringer werden von Politik und Gesellschaft zwar regelmäßig zur Zusammenarbeit angehalten, aber die Abgrenzung von Kooperation und Korruption wird in diesen Tagen immer schwieriger. Schuld daran ist auch eine Rechtsprechung, die beim Thema Zuweisung keine klare Linie findet. Ein Kommentar von Alexander Müller.
Als Patient sollte man seinem Arzt vertrauen, sonst steht der Therapieerfolg von vornherein auf wackligen Füßen. Bei den meisten wird dieses Vertrauen nicht mit der Behandlung enden, sondern sich auf die nächsten Schritte der Therapie erstrecken. Ob der Doktor nicht einen guten Facharzt, Physiotherapeuten oder Apotheker kenne? Natürlich kennt er, aber wann darf er es sagen?
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat 2011 eine Richtschnur gegeben, wann eine Zuweisung erlaubt ist und wann nicht. Wenn der Patient von sich aus fragt, muss der Arzt die Aussage nicht verweigern. Je nach Einzelfall wäre sein Schweigen sogar unzulässig. Von sich aus einen Tipp geben darf der Arzt nur, wenn er triftige Gründe hat. Das aber ist Auslegungssache.
Das Landgericht Dessau/Roßlau war sehr großzügig: Die Richter erlaubten einem Arzt, die Rezepte digital an zwei Apotheken zu schicken, die demselben Netzwerk angeschlossen waren. Die Begründung: In diesen Teilen Sachsen-Anhalts gebe es so wenige Apotheken und die meisten Patienten seien alt und nicht besonders mobil. Sollte sich diese Sichtweise durchsetzen, kann man das Zuweisungsverbot eigentlich begraben. Das wäre fatal, weil es die ethisch weniger soliden Vertreter der Ärzteschaft auf dumme Gedanken bringen könnte.
Es bleibt ein schmaler Grat: Das Apothekengesetz (ApoG) und demnächst noch nachdrücklicher das Anti-Korruptionsgesetz wollen eine unlautere Zusammenarbeit der Leistungserbringer verhindern, weil dadurch die Versorgung des Patienten beeinträchtigt werden kann. Sie kann aber eben auch beeinträchtigt werden, wenn Arzt und Apotheker nicht zusammenarbeiten dürfen. Oder nur das Gefühl haben, dass Absprachen unter Korruptionsverdacht stehen.
Der BGH hatte jetzt wieder einen Fall auf dem Tisch: Der Arzt hat Hepatitis-C-Patienten aufgeklärt und bei einem Folgetermin in die Anwendung der Fertigspritzen einweisen lassen. Die komplette Medikation hatte eine Apotheke gegen Übermittlung des Rezeptes an die Praxis geliefert. Für diesen Service ist vermutlich jeder Patient dankbar, der unlängst die Diagnose Hepatitis C entgegennehmen musste. Vermutlich wäre er sogar damit einverstanden, wenn die Absprache zwischen Arzt und Apotheker zusätzlich monetäre Aspekte hätte.
Doch so pragmatisch das Vorgehen zur Ersteinstellung des Patienten erscheinen mag, der BGH wird die Kooperation verbieten, wenn die Vorinstanz Formfehler im Verfahren behoben hat. Und auch das ist plausibel. Der Patient könnte sein Rezept selbst einlösen und die Medikation mit in die Praxis bringen – oder sich die Anwendung der Fertigspritzen gleich im Beratungsraum der Apotheke erklären lassen. Im verhandelten Fall erfolgte die Einweisung schließlich auch durch eine Arzthelferin. Es handelt sich dabei auch nicht um eine Behandlung – wie etwa bei der Verabreichung von Zytostatika.
In diesem Segment sieht das Bundessozialgericht (BSG) gleich gar keine Wahlfreiheit des Patienten. Wenn eine Kasse mit einzelnen Apotheken Selektivverträge schließt, wird die eigentlich verbotene und nur für diesen Bereich ausnahmsweise erlaubte Zuweisung plötzlich zur Pflicht.
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