Kommentar

Einmal Arzt sein Julia Pradel, 22.07.2014 10:49 Uhr

Belehrung statt Retax: In Bremen zeigt sich die Ungleichbehandlung von Apothekern und Ärzten. Foto: Elke Hinkelbein
Berlin - 

Es ist ein alter und immer aktueller Wunsch des Apothekers: auf Augenhöhe mit dem Arzt sein. Gleichberechtigt als Heilberufler über das Medikationsmanagement sprechen, von den Kassen ernst genommen und von den Patienten verhalbgöttert werden. Ein Blick nach Bremen zeigt ganz neue Facetten der tatsächlichen Unterschiede – beim Umgang mit Fehlverhalten.

In Bremen haben einige Ärzte offenbar seit Jahren ausnahmslos jede Rezeptzeile mit einem Aut-idem-Kreuz versehen – sicherheitshalber auch bei leeren Zeilen. Die Krankenkassen sind irgendwann aufmerksam geworden und wollen den Sachverhalt prüfen. Den Ärzten droht maximal die gelbe Karte.

Das ist genau die Ungleichbehandlung, über die Apotheker seit Jahr und Tag klagen: Der Pharmazeut übersieht ein fehlendes Kreuz und muss eine 12.000-Euro-Retaxation hinnehmen.

Der Arzt, der munter vor sich hin kreuzelt, bekommt eine ernste Belehrung. Und wenn er weiter Kreuze setzt, womöglich sogar einen Regress. Doch selbst in diesem Fall würde nur sein Honorar gestrichen – Apotheker zahlen das teure Krebsmedikament im Zweifel gleich noch mit.

Der Fall in Bremen zeigt aber auch, wohin der übertriebene Bürokratiewahnsinn führt: Wenn jeder auf Nummer sicher geht und nur die Vorschriften einhält, leidet das System insgesamt: Ist ein Kreuz gesetzt, ist es gesetzt, wird es befolgt.

Immerhin ist der Apotheker auf der sicheren Seite, wenn ein Aut-idem-Kreuz gesetzt ist. Der Arzt hat die Therapiehoheit. Das Kreuz ist der Wille des Arztes. Fertig. Das gilt auch dann, wenn der Arzt die Substitution eines nicht verordneten Präparats verbietet. Das Kreuz wird befolgt – egal, wie sinnlos es erscheint.

Aus Angst vor Formretaxationen und Regressen siegt die Vorsicht über den klaren Menschenverstand: Wenn ein Arzt auffällig viele Kreuze setzt, sollte der Apotheker nachfragen – ohne sich wie ein Drahtseilkünstler zu fühlen. Die Zusammenarbeit an der Basis ist wichtig: Denn auch Apotheker sind zur Wirtschaftlichkeit verpflichtet. Daran sollten eigentlich alle Seiten Interesse haben.