Die Apotheker waren schon früher kein Berufsstand mit übersteigertem Selbstbewusstsein. Gerade gegenüber den Ärzten haben viele Pharmazeuten eine Art Minderwertigkeitskomplex. Veränderungen im Berufsalltag, seien es die Rabattverträge oder die sinkende Bedeutung der individuellen Herstellung von Arzneimitteln, befeuern die negative Autosuggestion. Doch der Berufsstand macht sich über die Maßen schlecht, kommentiert Alexander Müller.
Ja, es gibt einen Rückgang der Apotheken und den Fachkräftemangel. Aber dass sich ein Großteil der Apotheker von Existenzängsten bedroht fühlt, ist wohl keine ganz objektive Einschätzung. Zumindest geben das die Zahlen zur wirtschaftlichen Entwicklung nicht her, die der Deutsche Apothekerverband (DAV) Jahr für Jahr veröffentlicht.
Fakt ist, dass sich im Apothekenmarkt eine gesamtgesellschaftliche Entwicklung spiegelt – eine ungesunde Verschiebung und Auseinanderdriften der Ränder. Die großen Apotheken werden immer größer, gleichzeitig gibt es am unteren Ende der Umsatzskala eine Gruppe von Inhabern, die sich vermutlich zu recht Sorgen um Zukunft und Übergabe ihres Betriebs macht. Aber die Mehrheit muss das nicht.
Woher die Unzufriedenheit und dieser Pessimismus? Weil es bergab geht. Als Apotheker kann man auch heute noch Geld verdienen, aber es ist schwieriger geworden. So absurd das ist, man kann diese Entwicklung schon bei den Einschreibungen an der Universität ablesen. Junge Männer studieren überdurchschnittlich oft Fächer, in denen sie später gute Aussichten auf ein hohes Einkommen haben. Die Apotheke hat in dieser Hinsicht offenbar an Anziehungskraft verloren. Als Weg zu einem „Helferberuf“ lockt die Pharmazie immer mehr weiblichen Nachwuchs.
Doch auch Apothekerinnen müssen, angekommen in der Offizin, die Erfahrung machen, dass der Beruf seine unattraktiven Seiten hat. Pharmazie und Wissenschaft können im Alltag nicht so gelebt werden, wie sich das viele wünschen. Der Dschungel an Abgabevorschriften und Dokumentationspflichten drückt die Stimmung am HV-Tisch. Missmutige Apotheker fühlen sich als „Schubladenzieher“ und „Erfüllungsgehilfe der Krankenkassen“. Es ist vor allem ein Gefühl der Ohnmacht – gegenüber der Politik, den Krankenkassen oder fremdfinanzierten Playern wie DocMorris, die sich den Markt einfach zurechtlegen.
Diese Unzufriedenheit wird dann auf die Lage des eigenen Unternehmens projiziert und mehr noch auf die Zukunft der gesamten Branche. Es gibt berechtigte reale Ängste, das soll man gar nicht wegreden. Aber es gilt auch, was ABDA-Präsident Friedemann Schmidt schon 2013 feststellte: dass es wegen der wirtschaftlichen Lage eine „tiefe Unzufriedenheit“ bei den Apothekern gebe, aber eben auch eine „gewisse Larmoyanz“.
Das ist ein schmaler Grat. Denn irgendwann könnte die Politik den Apothekern anbieten, sie von ihrem Leid zu erlösen. Als Angestellter einer Kette sind Einkommen und Arbeitszeit verlässlicher. Der Anspruch auf Wertschätzung wäre dann vielleicht von vornherein geringer, leider auch die gesellschaftliche Leistung, die unabhängige Apotheker heute erbringen. Es wäre der Tod der Apotheke in ihrer heutigen Form. Und vielleicht ist es dieser Gedanke, der heute viele Apotheker traurig macht.
APOTHEKE ADHOC Debatte