Kommentar

Die Null muss stehen

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Berlin -

Die Relevanz des Deutschen Apothekertags (DAT) wird unterschiedlich bewertet. Für die Einen ist es der berufspolitische Höhepunkt des Jahres, bei dem die Weichen für die politische Ausrichtung der Apotheker gestellt werden. Für die Anderen ist das Klassentreffen des Berufsstandes nicht mehr als eine lästige „Pflichtveranstaltung für das Fußvolk“ (O-Ton). Das erste DAT-Statement gibt es schon vor der ersten Glocke: das Antragsbuch. Womit befassen sich die Apotheker überhaupt? 2016 lautet die Devise: Geld oder Leben. Ein Kommentar von Alexander Müller.

Im Fußball gibt es die Strategie: „Die Null muss stehen!“ Hinten dicht machen, kein Gegentor kassieren – das auf Sicherheit angelegte Spiel. Im Spiel der Apotheker ist das Fremdbesitzverbot entscheindend. Mit Apothekenketten würde – das ist die ehrliche Überzeugung der Mehrheit – die Versorgung unter einem wachsenden Einfluss von Kapitalinteressen leiden. Und bislang konnten die Apotheker auch die Politik noch immer davon überzeugen, dass Unabhängigkeit ein hohes Gut in der Arzneimittelversorgung ist.

Aber Unabhängigkeit ist eben nicht alles, beziehungsweise sie ist weiteren Gefahren ausgesetzt: Auch wirtschaftlicher Druck auf den Einzelnen kann eine Bedrohung für die Versorgung sein. Die stetig sinkenden Zahl der Apotheken spricht dafür, dass die Integrität des Heilberufs erst mit der Schließung der Apotheke endet.

Deshalb wollen und müssen die Apotheker nicht nur für das System kämpfen, sondern auch um ihr wirtschaftliches Überleben. Der Forderung nach Freiberuflichkeit muss die Forderung nach angemessenem Honorar zur Seite stehen. Der ABDA-Spitze wird von der Basis gerne vorgeworfen, in diesem Punkt zu defensiv zu agieren.

Beim DAT gibt es auch in diesem Jahr einen Die-Null-muss-stehen-Antrag des Geschäftsführenden ABDA-Vorstands, der von der Apothekerkammer Berlin mitgetragen wird. Es ist der erste im Kapitel „Grundlagen der Berufsausübung“. Der Kernsatz lautet: „Die Hauptversammlung der deutschen Apothekerinnen und Apotheker fordert alle politischen Entscheidungsträger in der Europäischen Union (EU) und der Bundesrepublik Deutschland auf, sich weiter für den Erhalt und Ausbau bestehender freiberuflicher Strukturen zu engagieren und schädliche Eingriffe, die vorrangig rein ökonomischen Interessen dienen, abzuwehren.“

Es folgt eine Auflistung der Merkmale der freiberuflichen Ausübung des Apothekerberufs und eine umfassende Begründung des Antrags. Darin werden neben dem Fremdbesitzverbot die anderen Grundfesten Apothekenpflicht und Preisbindung verteidigt. Die Hauptversammlung „greift daher erneut ihre Beschlüsse aus den letzten Jahren auf und fordert die Verantwortlichen dazu auf, bei ihrer Abwägung nicht nur ökonomische Argumente zählen zu lassen, sondern vielmehr die wichtige Rolle der Freien Berufe für die gesamtgesellschaftliche Entwicklung im Blick zu behalten.“

Die Apotheker wissen, dass sie diese Forderung nicht vergessen dürfen. Bei der Erstellung des „Leitbildes“ wäre es ihnen fast passiert. Erst auf den letzten Metern kam der Hinweis aus den Mitgliedsorganisationen, dass das Fremd- und Mehrbesitzverbot im Perspektivpapier nicht fehlen darf. Denn sonst könnte die Politik irgendwann behaupten, dass den Apothekern das Kettenthema wohl nicht mehr so wichtig sei.

Der Antrag ist also nicht trivial, auch wenn er vermutlich nach kurzer Debatte einstimmig durchgewinkt werden wird. Umso erstaunlicher ist, dass Honorarfragen beim diesjährigen DAT fast vollständig ausgeklammert werden. Das Wort „Honorar“ taucht nur in einem einzigen Antrag der Apothekerkammer Berlin auf – und darin geht es um die Zyto-Versorgung.

Im Kapitel „Wirtschaftliche Rahmenbedingungen“ wird dagegen lediglich das Recht gefordert, Verträge über pharmazeutische Dienstleistungen mit den Kassen schließen zu dürfen. Die Erfahrung zeigt, wie weit man damit von einer angemessenen Vergütung noch entfernt ist. Dazu kommt der Wunsch nach Kostenerstattung in der PKV-Versorgung, was allenfalls ganz nett ist.

Nun könnte man den Einwand erheben, dass die Regierung das Apothekenhonorar in dieser Legislatur ohnehin nicht mehr anfassen wird, weil sich das zuständige Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) in ein Grundsatzgutachten zur Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) geflüchtet hat.

Aber dieses Argument verfängt nicht. Das Fremdbesitzverbot steht auch im Koalitionsvertrag und wird vor Herbst 2017 sicherlich politisch keine Rolle spielen. Trotzdem werden die Apotheker zurecht an ihre Kernforderung erinnern. Das sollten sie beim Honorar besser auch tun, zumal sie mit der geplanten aber keineswegs sicheren Erhöhung bei Rezeptur und BtM-Dokumentation aktuell immerhin noch zwei kleine Eisen im Feuer haben. Es ist wie im Fußball: Immer nur 0:0 zu spielen, reicht nicht. Damit steigt man ziemlich sicher ab.

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