Kommentar

Das Apotheker-Mövenpick-Trauma der FDP

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Berlin -

Auf ihrem Parteitag hat sich die FDP am Wochenende erwartungsgemäß nicht nur gegen ein Rx-Versandverbot ausgesprochen. Ins Wahlprogramm geschrieben haben die Freien Demokraten außerdem die Abschaffung des Fremdbesitzverbotes. Damit dürften die Wahlchancen der FDP unter Parteichef Christian Linder bei den Apothekern gegen Null tendieren. So verprellt man Wähler. Rhetorik und politische Effekthascherei gehen über seriöse Inhalte, kommentiert Lothar Klein.  

Spätestens seit der Senkung der Mehrwertsteuer für Hotelübernachtungen wird die FDP ihr Klientel-Trauma nicht mehr los. Weil die Steuersenkung zeitlich mit einer Parteispende von Mövenpick zusammenfiel, steht die FDP unter Generalverdacht, sich als Partei vor den politischen Karren bestimmter Interessengruppen spannen zu lassen. Mal kamen die Freien Demokraten als Partei der Besserverdienenden daher, mal als radikale Steuersenkungspartei. Am Ende hat das ruinierte Image die FDP ins politische Abseits geführt. Die Wähler haben der FDP die Quittung ausgestellt und sie vor vier Jahren aus dem Bundestag verbannt.

Mit ihrem neuen Anlauf versuchen die Liberalen im Herbst die Rettung. Scheitert die FDP erneut, steht die Traditionspartei von Thomas Dehler, Walter Scheel und Hans-Dietrich Genscher mit Jahrzehnte langer Regierungserfahrung wohl endgültig vor dem Aus. Warum die FDP sich im Wahlprogramm für das letzte Aufgebot ausgerechnet den Arzneimittelmarkt vorknöpft, bliebt dabei umso mehr ein Rätsel.

Dienen die Apotheker FDP-Chef Christian Lindner etwa als Sündenböcke für ein Exempel, wie weit sich die Freien Demokraten von ihrer Klientelpolitik entfernt haben? Als ob das Nein zum Rx-Versandverbot alleine als Demonstration nicht ausgereicht hätte, legen sie noch einen Schlag obendrauf und fordern die Abschaffung des Fremdbesitzverbotes. Damit auch dem letzten Wähler im Land klar wird, dass die FDP mehr ist als verlängerter Arm organisierter Interessen. Wer erinnert sich eigentlich noch daran, dass die FDP 2003 im Bundestag aus guten Gründen gegen die Einführung des Arzneimittelversandhandels gestimmt hat? Wo sind die Argumente von damals geblieben?

„Selbst wenn uns alle Hoteliers, Apotheker, Ärzte und Anwälte wählen würden, kämen wir nicht über fünf Prozent“, rechnete FDP-Vize Wolfgang Kubicki zu Jahresbeginn vor. Dieser Arithmetik lässt sich nicht widersprechen. Richtig ist aber auch, dass man Wahlen nicht gewinnen kann, indem man möglichst viele ehemalige Anhängern vor den Kopf stößt. Lange Zeit galten die Freien Demokraten immerhin als Hüter der Interessen der freien Berufe.

Die Freude und die Erwartungen der Apotheker waren entsprechend groß, als die FDP 2009 erstmals das Gesundheitsministerium übernahm. Aber mit den FDP-Ministern Philipp Rösler und Daniel Bahr startete die Entfremdung. Harte Sparauflagen kosteten die Apotheker hunderte Millionen Euro. Davon haben sich die Apotheker bis heute nur langsam erholt.

Enttäuscht wenden sich die Apotheker seitdem von der FDP ab: In einer APOTHEKE ADHOC-Umfrage von Mitte März kommt die einstige „Apothekerpartei“ nur noch auf 3 Prozent. Jetzt dürfte die Quote wohl gegen Null gehen. Zur Erinnerung: 2009 hatte die FDP bei einer Wahlumfrage von APOTHEKE ADHOC noch die Gunst von 45 Prozent der Teilnehmer – um zwei Jahre und ein Spargesetz später auf 4 Prozent abzustürzen und sich seitdem nicht mehr substantiell zu erholen.

Mit ihren inhaltlichen Aussagen zum Arzneimittelversandhandel haben es sich die Freien Demokraten im Wahlprogramm zudem allzu leicht gemacht. Fairer Wettbewerb zwischen Vor-Ort-Apotheken und den Arzneimitteilversendern lässt sich auf dem Papier leicht fordern. Aber wie bitte schön soll der denn aussehen? Etwas mehr Honorar für die Beratung fordert beispielsweise auch die SPD. Aber der „Sicherstellungszuschlag“ für Landapotheken passt nicht so recht ins marktliberale Credo. Das ist weder durchdacht, noch in sich schlüssig. Die FDP bietet keine Antworten auf die Existenzängste der Apotheker.

Der Verlauf des Parteitages hat deutlich gemacht, dass die FDP an den Inhalten ihres Wahlprogramms nur mäßig Interesse zeigt. Die Diskussion über die Arzneimittelversorgung wurde nach nur einem Redebeitrag abgebrochen. Die guten Argumente von Apothekerin Andrea Kanold aus Baden-Württemberg wollte niemand hören, erst recht nicht darüber beraten. Phrasendreschen ist halt leichter als über komplizierte Zusammenhänge zu diskutieren. So kennt man die FDP seit Guido Westerwelle. Unter Christian Linder hat sich daran nichts geändert: Rhetorik, politische Effekthascherei geht über seriöse Inhalte.

Was bleibt jetzt den Apothekern? Viele mit FDP-Sympathien oder gar Parteibuch leiden an den Freien Demokraten. Sie müssen sich damit abfinden, dass sie in der FDP keine politische Heimat mehr finden werden. Auch ABDA-Präsident Friedemann Schmidt ist bekennendes FDP-Mitglied. Vor Kurzem traf er sich mit Christian Lindner. Einfluss nehmen konnte der oberste Apotheker-Repräsentant nicht. Was nun, Herr Schmidt?

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