Kommentar

ABDA hat sich ausgelistet

, Uhr
Berlin -

Es sah so gut aus: Patientenverbände liefen gegen Rabattverträge Sturm, die Politik nahm den Ball auf und legte im Gesetz den Grundstein für ein Substitutionsverbot bei kritischen Wirkstoffen. Die ABDA lieferte, die Kassen mauerten und bezogen Prügel von den Gesundheitspolitikern. Jetzt sieht es so aus, als hätte der GKV-Spitzenverband erfolgreich auf Zeit gespielt: Die Kassen bekommen, was sie wollen. Und die Apotheker sind ausgelistet.

Die Schuldfrage ist nie leicht zu beantworten, wenn Verhandlungen scheitern. Der Deutsche Apothekerverband (DAV) kann sich zu Gute halten, eine Liste mit Wirkstoffen vorgelegt zu haben, die von der Substitution ausgeschlossen werden könnten. Die Kassen wollten zunächst einen Kriterienkatalog erstellen, um Wirkstoffe bewerten zu können. Die Sache geriet ins Stocken.

Schließlich musste wieder Oberschiedsrichter Dr. Rainer Hess ran. Doch auch vor der Schiedsstelle konnten sich die Parteien – trotz mehrfacher Ermahnung aus der Politik – nicht einigen. Die Kassen ahnten vielleicht schon, wohin die Reise geht – in den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA).

Tatsächlich schrieben Union und SPD in ihren Koalitionsvertrag, dass sie der Behörde die Liste übertragen werden. Das war zunächst als Drohung zu verstehen, die Wirkung zeigte: Hess erzwang einen ersten Kompromiss. Auch wenn die Kassen in einer Protokollnotiz auf der Zuständigkeit des G-BA beharrten, schien der Knoten geplatzt. Beide Seiten benannten sogar Experten, die weitere Wirkstoffe prüfen sollen.

Relativ überraschend kam dann ein Änderungsantrag der Regierungsfraktionen zu ihrem eigenen Pharmapaket: Die Aut-idem-Liste sollte trotz der Einigung in den G-BA. Hinter vorgehaltener Hand hieß es, die Kassen und Apotheker sollten bei der Anhörung nur offiziell bestätigen, dass sich die Sache nunmehr auf einem guten Weg befände.

Normalerweise suchen und finden die geladenen Verbände und Experten in den Fraktionen jemanden, der die passende Frage zu einer fertigen Antwort stellt. Doch die ABDA hat es nicht geschafft, einen Abgeordneten in Stellung zu bringen. Schlimmer noch: Während die ABDA-Spitze in der Jägerstraße ihre neue Image-Kampagne vorstellte, kam ihr Vertreter im Ausschuss nicht einmal zu Wort.

Möglicherweise ist das Interesse der Apotheker an einer Aut-idem-Liste aber auch zurückgegangen. Nach der ersten Einigung über zwei Wirkstoffe gab es massive Kritik aus den eigenen Reihen, weil das Substitutionsverbot sogar pharmazeutische Bedenken aussticht. Selbstbewusste Apotheker fühlen sich durch die Vereinbarung nicht geschützt, sondern in ihrer pharmazeutischen Kompetenz beschnitten. Bei richtigem Einsatz der Sonder-PZN sei eine Ausschlussliste eigentlich nicht notwendig, so das Argument.

Jetzt droht der Worst-Case: Es gibt eine Liste, aber die Apotheker reden nicht mit. DAV-Chef Fritz Becker hat deshalb vollkommen zu Recht die Forderung gestellt, dass die Apotheker im G-BA dauerhaft zu dieser Frage gehört werden. Ob er damit durchdringt, bleibt abzuwarten. Falls nicht, haben die Kassen bei der Erstellung der Aut-idem-Liste mehr oder weniger freie Hand im G-BA. Für die ABDA, die beim Medikationsmanagement gerade den nächsten Schritt nach vorne gehen will, wäre das ein herber Dämpfer.

Newsletter
Das Wichtigste des Tages direkt in Ihr Postfach. Kostenlos!

Hinweis zum Newsletter & Datenschutz

Mehr zum Thema
ApoRG in nächster Legislatur
Köpping setzt auf Nachwuchsförderung
Zwischen 0,4 und 1,9 Prozentpunkten
Mehrheit der Kassen erhöht Beitrag
Mehr aus Ressort
Paul-Ehrlich-Institut
Neuer Chef fürs PEI

APOTHEKE ADHOC Debatte