Kommentar

Apotheker an der Ärztegrenze

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Berlin -

Die Apotheker wollen sich auf den Weg machen, mit dem Medikationsmanagement neue Gebiete ihrer Arbeit zu erschließen. Doch an der Grenzlinie stehen die Ärzte – und die glauben nicht an das unerschlossene Land. Mit ihrem Alleingang bei der Definition des Medikationsmanagements haben die Apotheker wohl nicht dazu beigetragen, Spannungen aufzulösen.

Ärzte und Apotheker sind sich einig, dass Patienten von einer engeren Kooperation der Heilberufler profitieren können. Doch während die Apotheker die Sehnsucht nach einem Gespräch auf Augenhöhe treibt, werden die Ärzte ihre Angst nicht los, Kompetenzen zu verlieren.

ABDA-Präsident Friedemann Schmidt variiert im Tonfall: Die Therapiehoheit wolle er nicht anrühren, sagte er. Man werde aber auch nicht auf die Erlaubnis der Ärzte warten, sich zu verändern. Plötzlich ist von Folgerezepten die Rede, die die Apotheker künftig ausstellen wollen, und von klinischen Studien, die sie den Ärzten erklären wollen. So etwas bleibt normalerweise nicht ohne Folgen. Irgendein Ärztefunktionär wird der Politik vorschlagen, bei ohnehin rabattvertragsgebundenen Arzneimitteln könnten doch auch die Kollegen in der Praxis dispensieren – womöglich sogar günstiger.

Die Ärzte reagieren schnell und scharf, wenn sich die Apotheker zu weit herauswagen: Beim DAV-Wirtschaftsforum vor vier Jahren verkündete der damalige KBV-Chef Dr. Andreas Köhler, Apotheken höchstpersönlich die Scheiben einzuschmeißen, sollten sie den Ärzten noch einmal mit irgendwelchen Tests dazwischenfunken.

Mit dem ABDA/KBV-Modell wollten sich die Berufsgruppen endlich annähern. Das Projekt zeigt die große Herausforderung: Die Ärzte müssen gewonnen werden. Ohne den Diagnosesteller und Herrn des Rezeptblocks können die Apotheker nichts anbieten als eine Medikationsanalyse. Und dafür ein Extra-Honorar zu verlangen, würde ein ziemlich zweifelhaftes Licht auf das aktuelle Selbstverständnis der Pharmazeuten werfen.

Wie ernst es die Ärzte mit dem Gemeinschaftsprojekt meinen, war von Anfang an schleierhaft. Richtig überzeugt sind sie bislang jedenfalls nicht: Bei ARMIN liegt die Zahl der teilnehmenden Mediziner den Verantwortlichen zufolge im zweistelligen Bereich. Inoffiziell haben bislang zwölf der mehr als 30.000 Ärzte in Sachsen und Thüringen die notwendige Software installiert. Dass die dreistellig eingeschriebenen Apotheker machtlos auf erste Wirkstoffverordnungen warten, zeigt den Kern des Problems.

In dieser Phase will der Geschäftsbereich Arzneimittel der ABDA den Goldstandard festlegen. Konzepte, die nicht in dieses Schema passen, sollen sich nicht mehr Medikationsmanagement nennen dürfen. Das wird nur leider niemanden interessieren, schon gar nicht die Krankenkassen. Der Chef einer großen Kasse sagt: „Medikationsmanagement mit Apothekern: ja. Aber nicht in Apotheken.“

Es ist daher unverständlich, dass sich die Apotheker für dieses Projekt keine breitere Basis geholt haben: Warum saß die Bundesärztekammer nicht mit am Tisch? Was hätte die Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft beizutragen gehabt? Die Mediziner jetzt zum Mitmachen zu begeistern, wird schwieriger denn je.

Die Distanz ist deutlich spürbar: Köhlers Nachfolger Dr. Andreas Gassen versicherte gegenüber der „Welt“, beide Seiten arbeiteten vor Ort gut zusammen. Doch nur, um dann nachzuschieben: „Klar ist aber auch, dass die Grenzen zu den Kernkompetenzen des jeweils anderen nicht aufgeweicht werden sollten.“

Die Vorbehalte der Hausärzte sind noch größer, womöglich auch, weil sie beim ABDA/KBV-Modell nicht zuerst gefragt wurden. Die Kontrolle der Arzneimittel sei jedenfalls Sache der Ärzte, Apotheker könnten das gar nicht leisten, und man werde auch keine Expertise abtreten. Eher noch selbst dispensieren.

Aktuell will sich kein Ärztevertreter mehr zu den Plänen der Apotheker äußern. Einen Zwist gibt es nach offizieller Lesart nicht. Hinter vorgehaltener Hand wird das Urteil gefällt, das brutaler kaum ausfallen könnte: „Unerheblich.“

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