Kommentar

Abgespeist

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Berlin -

Die Apotheker sind der Politik in die Falle gegangen. Jahrelang haben sie sich mit Versprechungen hinhalten lassen, jetzt werden sie mit einem Paket abgespeist. Das hat seine charmanten Punkte, ist unter dem Strich aber viel zu wenig, kommentiert Alexander Müller.

Fast eine halbe Milliarde mehr sollen die Apotheker bekommen. Das klingt viel und dürfte sogar geeignet sein für die öffentliche Lesart, Spahn sei vor der mächtigen Apothekerlobby eingeknickt. Weil die sich in ihrer geschützten Branche immer noch vor dem Internet fürchten, werden sie jetzt mit Geld zugeschmissen. Diese Interpretation dürfte nun nicht lange auf sich warten lassen.

Dabei werden die Apotheker jetzt in ein Paket mit dem bezeichnenden Spitznamen „Plan B“ genötigt, das für sie alles andere als gut ist. Denn Teil der 495 Millionen Euro sind 120 Millionen, die die Zyto-Apotheker mehr bekommen. An der Herstellung parenteraler Rezepturen sollen die Kassen aber an anderer Stelle 300 Millionen Euro sparen – hier verliert dieser Teil der Branche unter dem Strich also Geld.

Weitere 240 Millionen Euro aus dem Paket sollen die Apotheker für zusätzliche Leistungen erhalten. Dafür fließen 32 Cent pro Packung. Es handelt sich also nicht um einen Ersatz von Verlusten gegenüber dem Versandgeschäft, sondern um die Vergütung von Extraarbeit. Dabei mag die ein oder andere Leistung dabei sein, die die Apotheker schon heute unentgeltlich erbringen wie das Medikationsmanagement. Sicher wird von der Politik aber mehr erwartet werden als der Status quo. Wie die Apotheken das angesichts des schon bestehenden Fachkräftemangels überhaupt stemmen sollen, ist überdies fraglich.

Bleiben 135 Millionen Euro, die die Apotheker vorbehaltlos von der Politik bekommen sollen, 15 davon für die BtM-Dokumentation. Der Notdienstzuschuss ist dagegen nicht ganz sauber gerechnet. Denn eine Verdopplung des Nacht- und Notdienstfonds entspricht mitnichten der versprochenen Summe. Knapp 114 Millionen haben die Apotheker im Mittel in den vergangenen drei Jahren jeweils aus diesem Topf erhalten. Wenn jetzt der Zuschuss von aktuell 16 Cent pro Packung verdoppelt wird, fehlen also unter dem Strich wieder zwölf Millionen Euro zu der heute von Spahn zugesagten Summe. Ironie der Geschichte: Der Deutsche Apothekerverband (DAV) hatte jahrelang moniert, dass die damals von der Politik versprochenen 120 Millionen Euro für die Stärkung des Notdienstes nie angekommen sind, einen Zuschlag verlangt – und irgendwann resigniert.

Weil die ganze Lobbyarbeit auf das Rx-Versandverbot konzentriert war. Das kommt nicht, weil Spahn es nie wollte. Weil es nicht opportun ist. Wie Spahn dann den Rx-Versandhandel begrenzen will, wenn DocMorris & Co. Mehr als 5 Prozent des Marktes erobert haben, bleibt vorerst sein Geheimnis. Er ist schließlich nur Gesundheitsminister. Das versprochene etwaige Nachbessern klingt nach Beruhigungspille.

Aber so wie der Minister auf dem Apothekertag mit dem 2hm-Gutachten gewedelt hat, droht er den Apothekern jetzt mit dem Europäischen Gerichtshof (EuGH). Wenn die ABDA in den Regierungsfraktionen gegen seinen Plan agitiert, gibt es überhaupt kein Geld. Politisch unter Druck, würde Spahn auf stur stellen und das Rx-Versandverbot doch noch auf den Weg bringen. Nur jeder, der einen Notdienstfonds verdoppeln kann, wird sich ausrechnen können, wie rechtssicher dieses Verbot dann begründet wäre. Friss oder stirb nennt man das. Oder Erpressung.

Jetzt ist es an ABDA-Präsident Friedemann Schmidt, diesen Plan B mit Engelszungen den eigenen Leuten schmackhaft zu machen. Denn dagegen rebellieren kann er nicht mehr. Dafür ist er zu lange eingeweiht. Dass sich die ABDA mit ihrer weltvergessenen Fixierung auf das Rx-Versandverbot selbst in die Sackgasse manövriert hat, hat Schmidt inzwischen immerhin selbst zugegeben. Nimmt man die Fehleinschätzung beim gescheiterten Totschweigen des 2hm-Gutachtens dazu, hat die ABDA in den vergangenen zwei Jahren auf den beiden wichtigsten politischen Feldern versagt.

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