ABDA: Kartoffeln im Minenfeld Patrick Hollstein, 26.08.2015 19:18 Uhr
„Heiße Kartoffel“, „politische Rallyefahrt“, „monetäres Minenfeld“: Die ABDA bemüht in ihrem aktuellen Politikbrief gleich mehrere Metaphern, um ihr Zögern in Sachen Apothekenhonorar zu rechtfertigen. Vereinfacht gesagt: Einen Nachschlag hält man für unrealistisch und sogar riskant, eine Korrektur der Rechenmethodik für verfrüht. Auf absehbare Zeit dürfte es das damit gewesen sein.
Vor ziemlich genau einem Jahr hatten sich die Apotheker dazu hinreißen lassen, den Kassenabschlag auf 1,77 Euro gesetzlich festzuschreiben – unter der Prämisse, dass es dafür eine regelmäßige Überprüfung des Fixzuschlags geben würde. Doch diese Kernforderung blieb unberücksichtigt. Im Frühjahr zogen die Apotheker im Schlussspurt zum GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (GKV-VSG) den letzten Trumpf: Alle anderen Positionen wurden für die regelmäßige Überprüfung über Bord geworfen – am Ende half es bekanntermaßen nichts.
Noch im Mai schwenkte DAV-Chef Fritz Becker die Fahne mit dem roten Apotheken-A und kündigte mit der Kraft der Verzweiflung den Sturmangriff für Herbst an: „Wir werden definitiv nicht von unserer Forderung abrücken und an der Sache dranbleiben. Wir sehen die Politik da in der Pflicht.“ Die Verrechnung von Kosten- mit Ertragssteigerungen sei leistungsfeindlich und komme einer dauerhaften Ertragsdecklung gleich: „Eine solche Rechenmethodik ist absolut nicht akzeptabel und darf keinen Bestand haben.“
Auch ABDA-Präsident Friedemann Schmidt versprach, von der Forderung nach einem „Rechtsanspruch auf eine regelmäßige Überprüfung des Festhonorars nach einer vernünftigen Methodik“ nicht abzugehen. Ähnlich kämpferisch gaben sich zuletzt Bayerns Verbandschef Hans-Peter Hubmann und Hamburgs Kammerpräsident Kai-Peter Siemsen: Wer nicht kämpfe, habe bereits verloren, hieß es.
Doch jetzt ist der DAV überraschend kleinlaut geworden: Weil eine grundlegende Änderung der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) zustimmungspflichtig sei, wolle man auf einen besseren Zeitpunkt warten. Stichwort: heiße Kartoffel. Da kommt der ABDA im Zweifel sogar das EuGH-Verfahren zu den DocMorris-Boni gelegen.
Einstweilen mit einer platten Honorarforderung ins Rennen zu gehen, findet man in der Jägerstraße in diesen Zeiten wiederum nicht opportun: Weil bei den Apothekern ohnehin die Kassen klingeln, will man die 8,35 Euro lieber nicht riskieren. „Wir würden uns schaden“, mutmaßt die neue ABDA-Geschäftsführerin Claudia Korff. Erst einmal brauche es die neue Rechenmethodik – siehe oben.
Weil es schon an der Grundvoraussetzung fehlt, wird der gesamte Honorarplan auf Unbekannt verschoben – gewissermaßen „nach hinten priorisiert“. Echte Erfolge, so die unmissverständliche Ansage, sind in absehbarer Zeit nicht zu erwarten. Die ABDA entschuldigt sich bereits heute für ihr Scheitern von morgen. Allenfalls an drei Kleinstzielen hält man in der Jägerstraße fest – auch auf die Gefahr hin, sich abermals zu verzetteln und abgespeist zu werden. Nachschläge bei Nacht- und Notdienstfonds, Betäubungsmitteln oder Rezepturen hätten allenfalls symbolischen Charakter und brächten keine nennenswerten Verbesserungen mit sich.
Während sich die Apotheker von den Zahlenfetischisten aus BMWi und BMG an der Nase herumführen lassen, machen die Ärzte gerade wieder vor, dass Gehaltstabellen bei Honorarfragen gar nicht entscheidend sind. Dass sich die Kassen der Kassen gerade leeren, ist dabei auch kein Argument. Um politischen Willen zu erzeugen, braucht es eine politische Inszenierung. Wer diese scheut, wird keine Erfolge einfahren. Von alleine wird sich Unterstützung für die Apotheker jedenfalls nicht einstellen.
Hatten Becker & Co. jahrelang von „berechtigten Forderungen“ gesprochen und von dringendem Nachholbedarf, regiert beim DAV jetzt das schlechte Gewissen. Der Großhandel hat dagegen längst erkannt, dass sich Kosten derzeit ganz gut auf die Apotheken abwälzen lassen. Auch die ABDA selbst sowie die ihr verbundenen Organisationen ABDATA und PZ haben die Gunst der Stunde genutzt, um wieder einmal Beitragserhöhungen durchzusetzen.
Solange die Kosten den Zuwachs beim Rohertrag nicht aufzehren, darf sich offenbar jeder an den Apotheken gütlich tun. Nur die Inhaber und ihre Mitarbeiter müssen auf einen Nachschlag warten, bis ihre Standesvertreter ihren Mut wiedergefunden haben – oder jemand ungefragt Geschenke vorbei bringt.