Apothekenstärkungsgesetz

Knallhartes Nein: Kabinett lehnt Rx-Versandverbot ab Lothar Klein, 18.08.2020 11:53 Uhr

Klares Nein: Die Bundesregierung lehnt in ihrer von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn formulierten Gegenäußerung ein Rx-Versandhandelsverbot ab. Foto: Andreas Domma
Berlin - 

Seit vergangenem Herbst liegt das Apothekenstärkungsgesetz (VOASG) auf Eis. Morgen wird das Bundeskabinett das Gesetz entgegen der ursprünglichen Absicht auch ohne Stellungnahme der EU-Kommission zur Beratung in den Bundestag schicken. Dazu wird die Ministerrunde nach Informationen von APOTHEKE ADHOC eine Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates vom 20. September 2019 verabschieden. Darin lehnt die Bundesregierung das von den Ländern geforderte Verbot des Versandhandels mit Verschreibungspflichtigen Arzneimitteln wegen rechtlicher Bedenken ab.

„Gegen ein generelles Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln sprechen rechtliche Bedenken“, heißt es in der Begründung. Dann verweist die Bundesregierung auf eine rechtliche Hürde, die bisher in der Diskussion noch keine Rolle gespielt hat: „Im Übrigen würde die vom Bundesrat vorgesehene Regelung zu einer unzulässigen Regelungsdoppelung für den Bereich Versandhandel von Tierarzneimitteln für Tiere, die nicht der Gewinnung von Lebensmitteln dienen, führen. Eine inhaltsgleiche Regelung was diesen Versand angeht, ist bereits in § 43 Absatz 5 Satz 3 AMG enthalten und wäre insoweit ein Verkündungshindernis.“

Im Anschreiben an den Chef des Kanzleramtes formuliert das Bundesgesundheitsministerium das Nein zum Rx-Versandhandelsverbot noch schärfer: „Im Übrigen werden die Vorschläge des Bundesrates abgelehnt. Insbesondere gegen das vom Bundesrat vorgeschlagene Verbot des Versandhandels für verschreibungspflichtige Arzneimittel sprechen rechtliche Bedenken. Die Bundesministerien der Finanzen, für Wirtschaft und Energie, der Justiz und für Verbraucherschutz und für Ernährung und Landwirtschaft haben dem Entwurf zugestimmt. Die übrigen Bundesministerien wurden beteiligt und haben keine Einwände erhoben.“ Damit lehnt die gesamte Bundesregierung ein Rx-Versandhandelsverbot ab.

Die Länderkammer hatte sich im letzten September bei der ersten Beratungsrunde des VOASG gegen das geplante Rx-Boni-Verbot und für die Einführung eines Versandverbots für verschreibungspflichtige Arzneimittel gestimmt. Der Änderungsvorschlag des Bundesrates lautete: „Arzneimittel [...], die nicht [...] für den Verkehr außerhalb der Apotheken freigegeben sind, dürfen [...] berufs- oder gewerbsmäßig für den Endverbrauch nur in Apotheken und ohne behördliche Erlaubnis nicht im Wege des Versandes in den Verkehr gebracht werden; das Nähere regelt das Apothekengesetz.“ Gestrichen werden sollte „ohne behördliche Erlaubnis“. Damit wäre der Versand verboten.

Jetzt hat der Bundestag das Sagen. Zuletzt hatten sich wieder mehr Gesundheitspolitiker der Union zu Wort gemeldet und angesichts der Hängepartie mit der EU-Kommission die Rückkehr zum Rx-Versandhandelsverbot gefordert. „Gerade in der Corona-Krise hat sich gezeigt, dass nur auf die Vor-Ort-Apotheken Verlass ist. Desinfektionsmittel gäbe es ohne die vielen Apotheken nicht in ausreichender Menge. Wir sind bei den Apothekern in der Pflicht, bis zum Ende der Legislaturperiode zu liefern. Wenn die EU-Kommission nicht zu Potte kommt, dann sollten wir das Versandhandelsverbot so umsetzen, wie es im Koalitionsvertrag steht. Wenn nicht zügig die Preisgleichheit gesetzlich festgelegt werden kann, dann müssen wir wieder über das Versandhandelsverbot reden“, forderte beispielsweise der CDU-Gesundheitspolitiker Alexander Krauß.

Und CDU-Gesundheitspolitiker Dr. Georg Kippels erklärte im Interview mit APOTHEKE ADHOC, dass er Chancen sogar sehe, auch unter Spahns Ägide ein Rx-Versandverbot durchzusetzen: „Das denke ich schon.“ Es gehe dabei „um bestimmte Fragestellungen von zulässigen oder unzulässigen ökonomischen Anreizen“. Es sei ja nicht zufriedenstellend gelungen, andere Lösungen zu finden. Deshalb sei die Notwendigkeit gegeben, „dass man dann an einem solchen Punkt eine wohldurchdachte und für den eigenen Entscheidungshintergrund überzeugende Lösung anstrebt – im Extremfall wohl wissend, dass sie nochmal einer juristischen Überprüfung unterzogen wird“. Wenn es sich nicht vermeiden lasse und der objektiven Aufklärung der Sache diene, dann müsse auch konsequenterweise dieser Weg gegangen werden. „Die Politik kann nicht immer mit Kompromissen auch harte Entscheidungen vermeiden. Das hier ist so ein Fall. Wenn die angedachten Kompromisse einfach nicht funktionieren, dann muss auch mal eine klare Entscheidung her und die könnte dann auch durchaus einer Prüfung unterzogen werden, dafür sind wir ein rechtsstaatliches System“, so Kippels.

Die Stellungnahme des Bundesrates führte auf dem letzten Deutschen Apothekertag in Düsseldorf zu einer kontroversen Diskussion. Eine Mehrheit sprach sich dafür aus, das bereits ad acta gelegte Thema Rx-Versandhandelsverbot wieder auf die politische Agende das Abda zu setzen. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn setzte daraufhin mit Verweis auf eine Stellungnahme der EU-Kommission zum geplanten Rx-Boni-Verbot die weitere Beratung im Bundestag aus.

Ein sichtlich verärgerter Spahn las dem DAT die Leviten: „Wenn Sie mir die Botschaft mitgeben, der Bundesrat kann das besser, dann stelle ich die Dinge in Berlin ein. Das meine ich ernst.“ Spahn machte dem DAT erneut deutlich, dass er das Rx-Versandverbot für offensichtlich europarechts- und verfassungswidrig hält. Jetzt gehe es jetzt darum, „das möglich zu machen, was möglich ist“. Er gehe übrigens davon aus, dass sich mit dem Thema nochmals ein europäisches Gericht beschäftigt. Im Übrigen gebe es gegen das Rx-Versandverbot auch Bedenken in anderen Ressorts der Bundesregierung. „Es ist das eine, eine politische Deklaration zu verfassen oder ein rechtssicheres Gesetz zu machen“, sagte Spahn.

Ursprünglich sollte die Stellungnahme der EU-Kommission bis zum Jahresende 2019 vorliegen. Trotz zahlreicher Gespräche mit der EU-Kommission auf Arbeitsebene sowie zwischen Spahn und EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton wird das Bundeskabinett das VOASG morgen auf den Weg in die parlamentarische Beratung schicken. Am 16. September soll es zum VOASG eine Anhörung im Gesundheitsausschuss geben. Ob Ergebnisse aus Brüssel bis zur Anhörung vorliegen, muss abgewartet werden. Unklar ist auch, ob das vom Bundesgesundheitsministerium beauftragte IGES/DIW-Gutachten zur Auswirkung der Preisbindung auf den Apothekenmarkt bis dahin veröffentlicht wird. Ende 2019 hatte das BMG das Gutachten zur teilweisen oder vollständigen Aufgabe der Preisbindung und der Gewährung von Rx-Boni in Auftrag gegeben mit dem Ziel, das VOASG zu retten. „Wir brauchen Daten, um vor Gericht und in Brüssel zu bestehen“, sagte damals ein BMG-Sprecher.