Nach langer Diskussion und viel Kritik ist es nun offiziell: Auch das Großprojekt Klinikreform ist – allen vorherigen Drohungen zum Trotz – vom Bundesrat beschlossen worden. Es ist ein weiteres scharf kritisiertes Gesetz, das immense Kosten verursacht und auf einer rechtlich fragilen Finanzierungsstrategie fußt – und es ist ein Wahlkampferfolg von Karl Lauterbach. Ein Kommentar von Lilith Teusch.
Trotz aller Kritik und lautstarker Proteste haben die Länder Lauterbachs Klinikreform nicht in den Vermittlungsausschuss geschickt. Das Gesetz wurde durchgewunken – mitsamt all seiner Probleme – und tritt im Januar in Kraft. Der bereits zweimal gerügte Transformationsfonds kommt immerhin erst ein Jahr später. Ob er dann überhaupt umgesetzt wird, bleibt fraglich, denn eine gerichtliche Anfechtung könnte die Reform ohne Finanzierungsmodell dastehen lassen. Eine Übergangslösung? Fehlanzeige.
Für viele im Gesundheitswesen dürfte das Aus der Ampel-Koalition auch ein Moment des Aufatmens gewesen sein. Die Union hatte schnell signalisiert, dass sie nicht bereit ist, mit der rot-grünen Minderheitsregierung an laufenden Projekten zu kooperieren. Mehrere Gesundheitsminister der Union schlossen eine Zusammenarbeit an Lauterbachs Reformplänen explizit aus.
Das einzige Projekt, das Lauterbach noch durchzubringen hoffte, war seine Klinikreform. Trotz massiver Kritik wurde sie heute im Bundesrat beschlossen. In der Debatte machten die Länder zwar deutlich, dass Reformbedarf im Bereich der Krankenhäuser besteht, betonten aber zugleich, dass Nachbesserungen am KHVVG zwingend notwendig seien. Uneinigkeit herrschte darüber, ob die erforderlichen Änderungen so umfassend sind, dass das Gesetz ohne den Vermittlungsausschuss nicht hätte verabschiedet werden dürfen, oder ob die zeitliche Dringlichkeit überwiegt.
Nicht nur zwischen den Bundesländern herrschte Uneinigkeit, auch innerhalb einzelner Landesregierungen konnte man sich offenbar nicht auf einen gemeinsamen Weg verständigen. So wurde die Stimme Thüringens für ungültig erklärt, weil das Bundesland uneinheitlich stimmte. In Brandenburg entließ Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) heute Morgen kurz vor der Abstimmung noch Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne), eine Fürsprecherin der Reform. Eigentlich sollte sie heute im Bundesrat vor der Abstimmung noch Redezeit haben.
Zwar ist das Gesetz nun beschlossen, doch von einem durchdachten, sauber erarbeiteten Reformpaket kann keine Rede sein. Stattdessen werden in der nächsten Legislaturperiode umfangreiche Nachbesserungen notwendig sein – ähnlich wie beim hastig verabschiedeten Cannabis-Gesetz, das seither ebenfalls immer wieder diskutiert werden muss.
Trotz der Probleme wird Lauterbach diesen fragwürdigen Erfolg wohl im Wahlkampf zu nutzen wissen. Und sicher auch als Argument für seine persönliche Eignung als Gesundheitsminister anführen. Bereits vor den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen erklärte der Minister im Interview mit dem Magazin Stern, dass seine Klinikreform im Wahlkampf helfen werde – schließlich sei den Bürgern bewusst, dass diese Reform dringend nötig sei.
Und der Minister braucht den Erfolg, denn Lauterbachs Regierungsbilanz fällt ansonsten ernüchternd aus – und das auch schon vor dem Ampel-Aus. Seine groß angekündigte Reform der Pflegefinanzierung wurde nie umgesetzt, die geplante Apothekenreform scheiterte schon im Kabinett, und nicht einmal das inhaltlich stark abgespeckte Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG) konnte er bisher durchbringen. Ob und wann sein BIPAM-Projekt realisiert wird, ist ebenso unklar.
Auch ein tragfähiges Konzept zur nachhaltigen Stabilisierung der Krankenkassen bleibt Lauterbach schuldig. Stattdessen hat der Sozialdemokrat wiederholt höhere Beitragssätze angekündigt, die notwendig seien, um seine Reformen zu finanzieren.
Mit dem KHVVG (Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz) wird der Transformationsfonds Realität – ein Albtraum für die Krankenkassen. Der Bundesrechnungshof (BRH) hat Lauterbachs Finanzierungsstrategie bereits zweimal scharf kritisiert, denn: „Die Finanzierung von Krankenhausstrukturen ist nicht Aufgabe der GKV.“ Mehrere Krankenkassen bezeichnen den Transformationsfonds sogar als verfassungswidrig. Sollte vor Gericht geklagt und den Kassen recht gegeben werden, stünde das Gesetz ohne finanzielle Grundlage da, beziehungsweise muss eine neue finden.
Auch die Opposition äußerte hier immer wieder Bedenken. Tino Sorge, gesundheitspolitischer Sprecher der Union, betonte kürzlich erneut, dass versicherungsfremde Leistungen nicht aus Beitragsgeldern finanziert werden dürften. Doch bis ein Urteil gefällt ist, werden die Krankenkassen mit dem neuen Gesetz arbeiten müssen – und die Last für die Beitragszahler wird massiv steigen. Von „sozial“ kann hier wirklich keine Rede mehr sein. Die privaten Krankenversicherungen müssen übrigens nicht in den Fonds einzahlen. Immerhin hat Lauterbach sie höflich darum gebeten – und wer könnte da schon Nein sagen?
Für die Apothekerschaft ist der heutige Beschluss des Bundesrats gleich in zweifacher Hinsicht problematisch. Mit der Verabschiedung der Klinikreform kann Gesundheitsminister Lauterbach einen klaren und großen Erfolg für seine Amtszeit verbuchen. So kurz vor dem Wahlkampf werden die Probleme der Reform noch nicht spürbar sein. Sollte es nach den Wahlen erneut zu einer GroKo aus CDU/CSU und SPD kommen, besteht durchaus die Möglichkeit, dass Lauterbach Gesundheitsminister bleibt. Dann könnte auch das Apotheken-Reformgesetz (ApoRG) wieder auf die politische Agenda gesetzt werden. Lauterbach hat in vergangenen Terminen immer wieder betont, dass er an seinen Vorstellungen zur Strukturreform festhalten möchte – einschließlich seiner Idee der Telepharmazie.
Gleichzeitig verschärft sich die ohnehin angespannte finanzielle Lage der Krankenkassen weiter. Lauterbachs Plan, die Apotheker ab 2027 direkt mit den Kassen verhandeln zu lassen, erscheint unter diesen Bedingungen immer weniger erfolgversprechend. Wahrscheinlicher ist, dass jedes noch so kleine Einsparpotenzial genutzt werden muss.
Mittlerweile ist außerdem klar, dass Olaf Scholz wieder als Kanzlerkandidat für seine Partei antritt – laut Lauterbach der beste Kanzler überhaupt. Er hatte während der ganzen Debatte seiner Partei um Kanzlerkandidatur stets klar auf Scholz gesetzt.