Der Medikationsplan beschäftigt wenige Tage vor der Anhörung im Gesundheitsausschuss die Verbände. Die Kliniken wollen eingebunden und honoriert werden, die Hersteller den Austausch über Indikationen hinweg beenden können. Der Sozialverband Deutschland (SoVD) will erst einmal mit den Ärzten starten, bevor die Apotheker an Bord geholt werden. Die Kassen lehnen die Ausweitung der bisherigen Pläne ab.
Der Vorschlag des Bundesrats, dass Versicherte sich den Medikationsplan auch in einer von ihnen gewählten Apotheke ausstellen und aktualisieren lassen können, werde im Grundsatz begrüßt, heißt es in der Stellungnahme des SoVD zum E-Health-Gesetz. „Natürlich bietet die Einbeziehung der Apotheken in die Dokumentationspflicht der Gesamtmedikation das Potenzial, die Informationsvollständigkeit weiter zu steigern und die Patientensicherheit durch Reduktion von Arzneimittelrisiken weiter zu verbessern.“
Um „eine rasche und zeitnahe Umsetzung der vielversprechenden Neuerungen zu gewährleisten“, sollten jedoch zum Start nur Ärzte teilnehmen können. „Anderenfalls sind damit wiederum weitere steigende Kosten sowie zeitliche und bürokratische Verzögerungen verbunden, noch bevor es zu einer Umsetzung der Neuerungen kommen kann.“
Erst wenn sich der Medikationsplan unter koordinierter Zusammenarbeit der Ärzte bewährt habe, erscheine es angebracht und sinnvoll, in einem zweiten Schritt über die Integration weiterer Personenkreise und deren Modalitäten in ein dann funktionierendes Anwendungssystem zu diskutieren. „Für diesen Fall gibt der SoVD bereits jetzt schon zu bedenken, dass damit eine Gefahr steigender Kosten verbunden ist und eine Entgeltlichkeit dieser Leistungen eine Hürde für die Inanspruchnahme darstellt.“
Ähnlich argumentiert der GKV-Spitzenverband: Die Komplexität des Projektes sollte durch die Einbindung weiterer Gesundheitsberufe zum aktuellen Zeitpunkt nicht weiter erhöht und damit auch das Risiko weiterer Verzögerungen nicht eingegangen werden. „Aus diesem Grund sollte auch von einer Einbindung der Apotheken bereits in einer ersten Ausbaustufe der Anwendung […] abgesehen werden“, heißt es in der Stellungnahme. „Ein umfassendes Bild der Medikation liegt bereits beim behandelnden Arzt vor, da ihm alle erforderlichen Informationen im Rahmen der Ausübung seiner ärztlichen Tätigkeit zur Verfügung stehen.“
Ausgeschlossen fühlen sich aber nicht nur die Apotheker, sondern auch die Kliniken: Ein als Informationsgrundlage für alle beteiligten Leistungserbringer dienender einheitlicher Medikationsplan sei ein substantielles Instrument zur Überwindung der Sektorengrenzen und zur Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS).
„Gerade bei Patientenaufnahmen im Krankenhaus ist es sowohl in Fällen von Polypharmazie als auch bei kurzfristig aufzunehmenden unbekannten Patienten und in Notfallsituationen im Regelfall schwierig bis unmöglich, die bisherige ambulante Medikation verlässlich und vollständig zu erheben“, schreibt die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) in ihrer Stellungnahme. „Ein sektorenübergreifend nutzbarer einheitlicher Medikationsplan könnte dem begegnen und die übergreifenden Medikationsprozesse deutlich verbessern.“
Auch im Rahmen der Entlassung des Patienten müssten Krankenhäuser laut DKG die Möglichkeit erhalten, Medikationspläne auszustellen beziehungsweise aktualisieren zu können. „Die Ausstellung oder Aktualisierung eines Medikationsplans bei Entlassung aus dem Krankenhaus ist insbesondere bei Patienten sinnvoll, die vom Krankenhaus ein Entlassrezept erhalten.“
Der Medikationsplan müsse zwingend für eine sektorenübergreifende Anwendung ausgelegt sein. „Es ist den Krankenhäusern nicht zumutbar, auf verlässliche Medikationsinformationen zu warten bis zukünftig ein elektronischer Medikationsplan über die Telematikinfrastruktur oder die telematische Fachanwendung AMTS zur Verfügung steht.“
Daher sei der Krankenhaussektor zwingend an der Ausgestaltung des Medikationsplans zu beteiligen – und an der Vergütung: Im Gesetzentwurf sei lediglich für den ambulanten Bereich eine Refinanzierung der Investitionskosten über EBM-Ziffern und nutzungsbezogene Zuschläge vorgesehen. „Da allerdings auch im stationären Bereich in vergleichbarer Weise finanzielle Aufwendungen entstehen, ist eine entsprechende Finanzierungsregelung für die Nutzung und Ausstellung von Medikationsplänen auch im stationären Bereich erforderlich.“
Der BPI findet es essenziell, dass im Medikationsplan neben Wirkstärke, Dosierung und Packungsgröße auch der jeweilige Handelsname und PZN dokumentiert wird. Eine Zuordnung durch den Patienten werde ansonsten erheblich erschwert und das Ziel einer patientenfreundlichen Ausgestaltung konterkariert.
Die Angabe des Handelsnamens sei insbesondere mit Blick auf bestehende Rabattverträge im Sinne der Arzneimittelsicherheit wichtig: Bei einem Austausch in der Apotheke müsse auf dem Medikationsplan auch dokumentiert werden, welches Produkt konkret abgegeben wurde. „Nur so können letztlich die richtigen Anwendungshinweise gegeben oder notfalls die Verordnung angepasst werden.“
Laut BPI kann ein transparenter Medikationsplan gerade bei Polymedikation zur Arzneimittelsicherheit beitragen: Der Verband verweist darauf, dass in den Apotheken bereits substituiert werden muss, wenn die betreffenden Arzneimittel in einer gleichen Indikation zugelassen sind. „Dies kann problematisch sein, wenn die Generika neben übereinstimmenden auch jeweils unterschiedliche Indikationen haben oder bestimmte Indikationen nicht aufweisen.“
„Da der Apotheker die Erkrankung des Patienten in der Regel nicht kennt, kann im Einzelfall trotz einer übereinstimmenden zugelassenen Indikation nicht gewährleistet werden, dass der Patient auch das Arzneimittel erhält, das für seine konkrete Erkrankung zugelassen ist“, schreibt der BPI. Die Abgabe eines für die Erkrankung des Patienten nicht zugelassenen Arzneimittels erhöhe das Anwendungsrisiko für den Patienten, da die Packungsbeilage keinerlei Angaben zur Indikation des Versicherten enthalte. Damit fehlten beispielsweise Informationen zur Dosierung und zu Warnhinweisen.
Die Bundesärztekammer (BÄK) und die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) Wert darauf, dass der elektronische Medikationsplan von Anfang an zur Anwendung „Arzneimitteltherapiesicherheitsprüfung (AMTS)“ auf der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) passt. So sei, anders als beim Medikationsplan nach E-Health-Gesetz, beim AMTS-Modull eine verpflichtende PIN-Eingabe vorgesehen. „Vor dem Hintergrund, dass beide Anwendungen auf einen nahezu identischen Datensatz zugreifen, ist schon heute absehbar, dass dies in der Versorgung auf wenig Akzeptanz treffen wird.“ BÄK und AkdÄ regen daher an, diese beiden Anwendungen – unter Berücksichtigung eines Wahlrechtes des Versicherten hinsichtlich der Nutzung einer PIN – zusammenzuführen.
Das „Bündnis Stoppt die eCard“ würde das E-Health-Gesetz angesichts der Kosten und aus Furcht vor einer zentralisierten Totalvernetzung des Gesundheitswesens am liebsten ganz stoppen. Der Medikationsplan etwa sei für die meisten Hausärzte und auch viele Fachärzte gelebte Wirklichkeit. „Dazu braucht man keine 'Datenautobahn' und kein Gesetz.“ Die spätere Einbindung etwa der Apotheker sehen die Kritiker problematisch: „Der Arzt wäre aber verpflichtet, Arzneimittel, die der Versicherte ohne Verschreibung anwendet, zu dokumentieren. Wie würde das denn ganz praktisch aussehen? Der Versicherte kauft in einer Apotheke ein freiverkäufliches Arzneimittel und geht dann zum Arzt, um es dort eintragen zu lassen. Und was passiert nach Ende der Einnahme?“
Zu befürchten sei, dass sich dann etwa die Angaben auf dem Marcumar-Ausweis, im Medikationsplan auf der Chipkarte, im Notfalldatensatz und in der weiterhin geplanten AMTS-Anwendung voneinander unterschieden. „Welcher papierbasierte Medikationsplan ist gültig? Alle? Nur einer, aber welcher?“ Welche juristischen Folgen diese Datenhaltung in unterschiedlichsten Medien und Anwendungen für die Leistungsträger in der Medizin haben werde, sei ungeklärt.
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