Während die Politik noch über ein Paket gegen Lieferengpässe verhandelt, haben sich die Teilnehmer des Jour Fixe beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) bereits auf konkrete Maßnahmen im Bereich der Klinikversorgung verständigt. Krankenhausapotheken sollen sich demnach verpflichten, vereinbarte Mengen auch tatsächlich abzunehmen. Im Gegenzug garantieren die Hersteller eine gewisse Lieferfähigkeit. Bei höherem Aufwand sollen dabei allerdings höhere Preise gezahlt werden.
Schon vor zwei Jahren hatte der Branchenverband Pro Generika erste Versuche unternommen, Klinikapotheker und Hersteller zusammenzubringen. Immerhin wird der Bereich nicht von Rabattverträgen dominiert, die Kliniken beziehungsweise ihre Einkaufsgemeinschaften können selbst entscheiden, wo sie einkaufen. Weil es allerdings auch in der stationären Versorgung immer wieder Ausfälle – auch bei lebenswichtigen Medikamenten wie Antibiotika und Antineoplastika – gab, rief Bork Bretthauer, Geschäftsführer von Pro Generika, die Klinikapotheker dazu auf, nicht mehr nur auf den billigsten Preis zu achten, sondern mit den Herstellern in Dialog zu treten. Immerhin könnten entsprechende Modelle auch Vorbildfunktion für den Gesamtmarkt haben.
Im Juli haben sich die Teilnehmer des Jour Fixe – Vertreter der Arzneimittelkommissionen, Herstellerverbände, Behörden, Gesundheitsministerium, Länder, Phagro, ABDA und der Bundesverband deutscher Krankenhausapotheker (ADKA) – auf Empfehlungen verständigt, die in den Verträgen zwischen Herstellern und Krankenhausapotheken beziehungsweise krankenhausversorgenden Apotheken berücksichtigt werden sollen – und so die Versorgung verbessern sollen. Während die Hersteller mehr Planungssicherheit bekommen sollen, können die Apotheker darauf hoffen, weniger Zeit mit dem Management von Lieferengpässen vergeuden zu müssen.
Verträge sollen demnach für mindestens zwölf Monate und mit einer Vorlaufzeit von sechs Monaten geschlossen werden. Um die „Robustheit der Lieferfähigkeit“ zu erhöhen, sollen die Hersteller plausibel belegen, woher sie ihre Wirkstoffe und Zwischenprodukte beziehen. Bei Arzneimitteln, die diskontinuierlich produziert werden, sollen sie außerdem belastbare Belege erbringen, wie Schwankungen der Nachfrage abgefedert werden. Die Klinikapotheker sollen so eine objektive Entscheidungsgrundlage erhalten, wem sie den Zuschlag erteilen.
Vereinbarte Volumina sollen von der Apotheke dann auch tatsächlich abgenommen werden, die Hersteller erhalten also belastbare Abnahmeprognosen. „Das macht eine sicherere Produktionsplanung möglich“, so Pro Generika. Außerdem soll sich in den vereinbarten Preisen widerspiegeln, wenn ein Hersteller besondere Vorkehrungen für seine Lieferfähigkeit trifft und etwa mehrere Produktionslinien und Lieferanten nutzt oder zusätzliuche Lagerkapazitäten für bestimmte Käufer vorhält. Bei einem hohen Arzneimittelbedarf sollten Verträge mit mehreren Herstellern geschlossen werden, die wiederum ihre Wirkstoffe und Zwischenprodukte aus unterschiedlichen Quellen beziehen.
Die Empfehlungen wurden laut Pro Generika lange und intensiv diskutiert und sollen vor allem für versorgungsrelevante Arzneimittel gelten – also für Wirkstoffe ohne gleichwertige Alternative, die innerhalb von 24 Stunden benötigt werden, dem Therapiestandard entsprechen oder in den Leitlinien empfohlen werden und bei deren Fehlen sich die Prognose eines Patienten verschlechtert.
Auch wenn die Empfehlungen keine Rechtswirkung haben, will der Jour Fixe nachhalten, inwieweit die Kriterien selbst zu einer Verbesserung der Situation im Klinikgeschäft beitragen.
Im Frühjahr hatte das BfArM die Meldeverfahren für Lieferengpässe umgestellt und mit einer neuen Datenbank verbessert. Die Verpflichtung der Hersteller, Lieferengpässe bei versorgungsrelevanten Wirkstoffen zu melden, war ein Ergebnis des ersten Pharmadialoges. Die Verpflichtung bezieht sich auf die Wirkstofflisten, die das BfArM veröffentlicht und die auf der Grundlage der Empfehlungen der medizinischen Fachgesellschaften und der WHO zusammengestellt wurden. Auf Hinweis des Jour Fixes betrifft diese Selbstverpflichtung besonders diejenigen Arzneimittel, bei denen es bereits zu einer Marktverengung gekommen ist.
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