Gefüttert mit alten Daten

Klinik-Atlas: Fehlerhaft und irreführend

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Berlin -

Eigentlich sollte der Klinik-Atlas von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) ein Werkzeug für Patienten sein, um die rund 1700 Krankenhäuser in Deutschlands zu vergleichen und das richtige für ihren spezifischen Fall auszuwählen. Doch nun mehren sich Stimmen aus Politik und Verbänden, die vor veralteten und falschen Daten warnen und sofortige Korrekturen fordern.

„Lauterbachs Klinik-Atlas erfüllt leider nicht ansatzweise sein Versprechen, mehr Transparenz in der Krankenhausbehandlung zu schaffen. Im Gegenteil, zahlreiche falsche und fehlende Daten leiten Patientinnen und Patienten massiv in die Irre“, so Dr. Henriette Neumeyer, stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG). Zum jetzigen Zeitpunkt rate man davon ab, sich auf die durch den Klinik-Atlas bereitgestellten Information zu verlassen.

Falsche Fallzahlen – fehlende Ausrüstung

So werde zum Beispiel ein ausgewiesenes Lungenzentrum in Solingen mit einem Schwerpunkt bei der Lungenkrebsbehandlung gar nicht in der Suche aufgelistet, wenn nach Behandlungsstandorten für Lungenkarzinome gesucht werde. Zudem stimmten in vielen Fällen die Fallzahlen der Kliniken nicht; dadurch kategorisiere der Klinik-Atlas beispielsweise eine spezialisierten Klinik mit zahlreichen Qualitätsmerkmalen als Klinik mit Gelegenheitsversorgung.

„Über diese Beispiele hinaus haben uns ungezählte Meldungen aus Kliniken in allen Bundesländern erreicht, die falsche Angaben zu Ausstattungen, Notfallstufen und vor allem immer wieder zu niedrig angegebenen Fallzahlen beklagen“, so die DKG. Nicht nur kleine Krankenhäuser, auch Universitätskliniken seien davon betroffen.

Vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) fordert Neumeyer, die Fehler schnellstmöglich zu korrigieren. „Minister Lauterbach wird zahllose Hinweise und Kommentare finden, die für ihn dringender Arbeitsauftrag sein müssen. An der fehlerhaften Realität des Klinik-Atlas zeigt sich ein weiteres Mal, welche Folgen die Konfrontationspolitik des Bundesministers hat. Auch bei diesem Atlas hat er bewusst auf die Zusammenarbeit mit den Krankenhäusern verzichtet“, kritisiert Neumeyer. Dabei hätte man gemeinsam im Vorfeld die Suchmaschine auf Fehler prüfen können.

„Das Deutsche Krankenhausverzeichnis wird als verlässliche und bei Patientinnen und Patienten beliebte Größe weiterhin online sein, gleicht aber nicht die immense Irreführung dieses neuen, steuerfinanzierten Verzeichnisses aus, das sich Transparenz auf die Fahnen geschrieben hat, aber in der Realität Patientinnen und Patienten falsche Sicherheit suggeriert“, so Neumeyer.

Auch die Notfallversorgung betroffen

Dr. Dietmar Pennig, der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU), weist zudem darauf hin, dass auch die Notfallversorgung nicht frei von Fehlern ist. Teilweise würden unter Notfallversorgung im Atlas Kliniken gelistet, die keine Notfallversorgung leisten, gleichzeitig würden Krankenhäuser, die es tun, nicht in der Suche auftauchen. „Beides kann desaströse Folgen haben“, betont Pennig. In Köln sei zum Beispiel ein Lungenzentrum unter Notfallversorgung gelistet.

Deaktivieren – bis Fehler behoben sind

Auch von Seiten der Politik wird Kritik laut. „Der Bundesgesundheitsminister hatte in Aussicht gestellt, mit dem Bundes-Klinik-Atlas Leben retten zu wollen und eine Orientierung für Qualität zu geben. Wenn aber im Notfall aufgrund falscher Angaben im Bundes-Klinik-Atlas Patientinnen und Patienten fehlgeleitet werden, besteht das Risiko, dass das Gegenteil eintritt“, sagt Kerstin von der Decken, Gesundheitsministerin von Schleswig-Holstein. Ihr Haus habe bereits zahlreiche Meldungen von Krankenhäusern in Schleswig-Holstein zu Fehlern oder irreführenden Ergebnissen erhalten.

Neben der Nutzung veralteter Daten oder nicht auffindbarer Kliniken sind demnach auch falsche Angaben zu Notfallstufen oder Bettenanzahl gemacht und Fachabteilungen nicht aufgeführt worden. Die Aussage des BMG, dass der Atlas ein lernendes System sei und die Kliniken Fehler selbst melden könnten, sei den Patientinnen und Patienten gegenüber verantwortungslos. „Wenn der Bund die Fehler nicht umgehend beheben kann, muss er den Atlas vom Netz nehmen, bis er sie behoben hat“, so die Ministerin.

Medienberichten zufolge sind beispielsweise auch die Sana-Kliniken betroffen. In sämtlichen 46 Standorten seien Fehler im System sagte der Geschäftsführer Thomas Lemke der Bild-Zeitung.

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