Bei den Grünen deutet sich ein Kursschwenk in Sachen Rx-Versandverbot an. Bei einer politischen Diskussion zur Bundestagswahl auf Einladung der Apothekerkammer (AKWL) und des Apothekerverbands Westfalen-Lippe (AVWL) zeigte sich die Grünen-Gesundheitspolitikerin Maria Klein-Schmeink plötzlich kompromissbereit. Nach übereinstimmenden Berichten von Teilnehmern sagte Klein-Schmeink, dass sich die Grünen im Falle einer Regierungsbeteiligung durchaus vorstellen könnten, bis zu einer endgültigen Lösung einem Rx-Versandverbot zuzustimmen.
In der Diskussion hatte Klein-Schmeink zunächst die Parteilinie vertreten und gesagt: „Ein Verbot des Versandhandels mit Medikamenten bringt nichts, weil es rechtlich nicht lange Bestand hätte.“ Sinnvollere Maßnahmen zur Stärkung der Apotheke vor Ort sehe sie eher in einer Erhöhung der Sicherstellungszuschläge und kostendeckenden Nacht- und Notdienstpauschalen. Dann ließ sie allerdings wissen, dass die Grünen bei einer Regierungsbeteiligung nach der Bundestagswahl durchaus zu Kompromissen fähig seien. Wenn es nicht anders gehe, könne man sich vorstellen, sich bis zu einer endgültigen Lösung zunächst auf ein Rx-Versandverbot einzulassen. Bisher hatten sich die Grünen stets klar gegen ein Rx-Versandverbot ausgesprochen.
Zur Diskussion hatten AKWL und AVWL Politiker der fünf größten Parteien nach Münster eingeladen. Während Robert von Olberg (SPD) offen zugab, in Sachen Versandhandelsverbot aufgrund rechtlicher Bedenken noch unentschlossen zu sein, fand Dr. Mathias Höschel (CDU) deutliche Worte: „Wir müssen so schnell wie möglich handeln. Je länger wir mit einem Verbot warten, desto mehr Probleme bekommen wir.“
Dass viele Apotheker die Auswirkungen der politischen Uneinigkeit schon jetzt spüren würden, illustrierte Kammerpräsidentin Gabriele Regina Overwiening mit einem aktuellen Beispiel aus ihrer Apotheke: Vor einigen Wochen habe eine Patientin dringend Medikamente gegen Bluthochdruck benötigt. Das entsprechende Rezept hatte sie allerdings zuvor zu einer Online-Apotheke geschickt. Doch ohne Rezept kein Medikament – eine Zwickmühle für Overwiening: „Als Apothekerin muss und möchte ich der Patientin helfen, rechtlich sind mir aber die Hände gebunden.“ Der Apotheke vor Ort, so ihr Fazit, werde in derartigen Situationen eine Versorgung der Patienten nahezu unmöglich gemacht.
Mit einer Aldi-Tüte voller Arzneimittel zeigte sich Overwining auf dem Podium. Der Grund: Kürzlich war eine Patientin in ihre Apotheke gekommen, um einen ganzen Stapel Arzneimittel zurückzugeben. Um Rx-Boni abgreifen zu können, hatte sie sich diese verordnen lassen, obwohl sie diese eigentlich nicht benötigte. Die Patientin fand es dann zu schade, die Arzneimittel zu Hause herumliegen zu lassen, die könnten doch andere verwenden.
Wenig überraschend konnte Jörg Berens von der FDP Overwienings Sichtweise nicht teilen. Der Politiker, der zugleich bei einer niederländischen Versandapotheke arbeitet, betonte wiederholt die Eigenverantwortung der Patienten: „Letztlich sollte jeder selbst entscheiden dürfen, auf welchem Weg er seine Medikamente kauft.“
Der AVWL-Vorsitzende Dr. Klaus Michels sieht in Sicherstellungszuschlägen keine Lösung: „Der einzige Weg, die flächendeckende Gesundheitsversorgung auch in Zukunft zu gewährleisten, führt über ein Versandverbot.“ Wenn der Gesetzgeber das Gesundheitswesen einem Preiswettbewerb aussetze, dann wäre es nur eine Frage der Zeit, bis Angebote wie eine eingehende Beratung wirtschaftlichen Interessen zum Opfer fielen. „In anderen Bereichen, etwa in Krankenhäusern, sehen wir solche Tendenzen schon jetzt, die Hauptleidtragenden sind wie so oft die Patienten.“
Kathrin Vogler, gesundheitspolitische Sprecherin der Linken, stellte sich ebenfalls hinter die Apotheker: „Kranke Menschen sind nun mal keine normalen Kunden. Aber genau als solche werden sie von Versandapotheken gesehen.“ Bei der Onlinebestellung überprüfe niemand, ob der Kunde eine oder zehn Packungen Paracetamol kaufe, habe niemand ein Auge auf den verantwortungs- und maßvollen Umgang mit Arzneimitteln. Medikamente gehörten in die Hände von Experten. „Das sind keine Smarties“, zitierte die Linken-Politikerin Jens Spahn von der CDU.
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