Politik muss sich auch erklären und die Regierung sollte die Bürger:innen über ihr Handeln informieren. Aber wie weit darf das Informationsangebot von Ministerien gehen? Das „Nationale Gesundheitsportal“ des Bundesgesundheitsministerium (BMG) geht jedenfalls aus Sicht des Wort & Bild Verlags (W&B) und der gesamten Verlagsbranche deutlich zu weit. Die Klage des Verlags der Apotheken Umschau wird am 22. Juni vor dem Landgericht Bonn verhandelt.
Unter der Website gesund.bund.de informiert das BMG umfangreich über Krankheiten, Pflege, Prävention, aber auch über neue digitale Entwicklungen wie Apps auf Rezept (DiGA) oder das E-Rezept. Allein in der Rubrik „Krankheiten“ sind 23 Unternehmen aufgeführt, von „Atemwege“, über „Psyche“ bis zu „Krebs“ und „Corona-Infektion in 3D“. Der eigne Anspruch ist, „qualitätsgesicherte Gesundheitsinformationen – unabhängig, wissenschaftlich belegt und leicht verständlich“.
Nur „unabhängig“ findet W&B Informationen gerade nicht, die von einem Ministerium kommen, das für die regulatorischen Vorgaben der Gesundheitsversorgung zuständig ist und indirekt auch Einfluss auf die Ausgaben der Krankenkassen hat. Der Start des Portals im September 2020 erfolgte laut W&B ohne gesetzliche Grundlage, dies sei erst im Juni 2021 mit einer Änderung des Sozialgesetzebuchs (SGB V) nachgeholt worden.
Das Nationale Gesundheitsportal stellt aus Sicht des W&B „einen massiven Eingriff in die Pressefreiheit“ und das im Grundgesetz verankerte „Gebot der Staatsferne“ dar. Denn das mit Steuergeldern finanzierte staatliche Medienangebot trete in unmittelbare Konkurrenz zu privat finanzierten Portalen – wie etwa apotheken-umschau.de. Das BMG beeinträchtige damit die unabhängige Presse.
Deswegen reichte der Verlag im Februar 2021 Klage ein. Corona-bedingt wurde die Verhandlung immer wieder vertagt, am kommenden Mittwoch ist es nun so weit. Die nachträgliche Legitimation findet der Verlag verfassungswidrig und will das Gesetz zur Normenkontrolle nach Karlsruhe schicken. Im Verfahren vor dem LG Bonn wird eine Vorlage beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) angeregt.
W&B würde dem Ministerium zugestehen, im Fall einer akuten Gefährdung der Gesundheit der Bevölkerung diese auch zu informieren, „Journalistisch-redaktionell und pressemäßig aufbereitete Artikel zu allgemeinen medizinischen Themen ohne konkreten Anlass“ zählten aber nicht dazu.
Abgesehen davon, dass sich das BMG in seiner Übersicht „Krankheiten von A-Z“ in Layout und Aufbereitung sehr stark am Online-Angebot der Apotheken Umschau orientiert habe, findet es der Verlag befremdlich, wenn ein Ministerium in seinem eigenen Politikfeld ein eigenes Fachmedium herausbringt. Würde das Bildungsministerium selbst Schulbücher herausbringen oder das Innenministerium ein Politikmagazin herausgeben – der Aufschrei wäre aus Sicht des W&B zurecht ebenso groß.
Auch das BMG könne sein „Gesundheitsportal“ als „Sprachrohr zur Durchsetzung der gesundheitspolitischen Linie“ der Regierung nutzen, fürchtet der W&B. Tatsächlich seien wissenschaftliche Inhalte hier bereits mit gesundheitspolitischen Themen vermischt. Aufgrund der Anpassung des SGB V könne das Ministerium die Inhalte „je nach politischer Linie“ anpassen.
Vor allem aber trete das BMG in Konkurrenz zu etablierten Angeboten wie Netdoktor von Burda oder die Seite der Apotheken Umschau. Selbst staatlich finanzierte Angebote gebe es bereits, etwa vom IQWiG oder der ebenfalls dem BMG unterstellten Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.
Der Widerstand der Branche gegen das Angebot des BMG ist breit. Burda hat bereits erfolgreich gegen die privilegierte Listung von gesund.bund.de bei Google geklagt. Die Kooperation wurde vom Landgericht München I für unzulässig erklärt. Burda-Vorstand Philipp Welte hatte Ex-Minister Jens Spahn vorgeworfen, eine „Staatspresse“ durchzusetzen. Und der Medienverband der freien Presse (MVFP, früher VDZ) und der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) hatten in einer gemeinsamen Stellungnahme sogar schon im Januar 2021 auf die Verfassungswidrigkeit der damals geplanten SGB V-Anpassung hingewiesen. Am Mittwoch wird aus Sicht der Branche in Bonn die Pressefreiheit verhandelt.
Spannend zu beobachten wird, wie sich das BMG im Verfahren schlägt. Denn das Gesundheitsportal war ein Projekt des früheren Gesundheitsministers Jens Spahn (CDU). Ob sich sein Nachfolger Karl Lauterbach (SPD) auf diesem Feld auch dauerhaft mit der Medien anlegen will, wird sich ab Mittwoch zeigen.
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