Die Union hat im Koalitionsvertrag auf den letzten Metern das Rx-Versandverbot durchgesetzt. Doch ob tatsächlich ein Gesetz kommt, ist fraglicher denn je. Dr. Georg Kippels (CDU), Mitglied im Gesundheitsausschuss des Bundestags, erklärt im Gespräch mit APOTHEKE ADHOC, dass jedenfalls der Gesetzesentwurf von Hermann Gröhe keine Chance mehr habe und innerhalb der Union nach Alternativen gesucht werde. Eine Option wäre ein Boni-Moratorium für ausländische Versender.
ADHOC: Sie haben sich für die Suche nach Alternativen zum Rx-Versandverbot ausgesprochen. Ist das Rx-Versandverbot tot?
KIPPELS: Bei der Suche nach Lösungen müssen wir uns auf realistische Grundlagen stellen. Und diese müssen juristisch belastbar und stabil sein. Das Rx-Versandverbot ist der Versuch, kurzfristig den Markteinbruch und die Verschiebung infolge der Rabattgewährung zu stoppen. Das lässt sich kurzfristig nur mit dem Rx-Versandverbot machen. Nun sind wir realistisch genug zu sehen, dass so eine rigide Maßnahme bei einer Prüfung durch die EU möglicherweise Schiffbruch erleidet. Damit wäre den Vor-Ort-Apotheken kein Dienst erwiesen. Deshalb müssen wir nach langfristigen Lösungen suchen, die zum gleichen Effekt kommen. Dafür benötigen wir aber Zeit.
ADHOC: Was bedeutet das konkret? Sofort nach Alternativen suchen oder ein befristetes Rx-Versandverbot?
KIPPELS: Das Verbot als Sofortmaßnahme in einer befristeten Regel wäre als Übergangslösung sicher machbar. Aber dann müssen wir in der Übergangszeit zu einer grundlegenden Neuordnung des Apothekenhonorars kommen. Das dauert länger als ein normaler Gesetzgebungsprozess.
ADHOC: Damit wäre das Geschäftsmodell von DocMorris & Co. aber genauso ruiniert.
KIPPELS: Sie beschreiben unsere undankbare Ausgangssituation. Würden alle während der Übergangszeit auf die Rabattgewährung verzichten, wäre auch diese rigide Maßnahmen verzichtbar. Das sehe ich aber im Augenblick noch nicht. Ich stehe dazu in engem Kontakt sowohl zur ABDA als auch zu den deutschen Versandapotheken, eine vertretbare Lösung zu finden, ohne wirtschaftliche Schäden für alle Beteiligten auszulösen.
ADHOC: Kann man für die ausländischen Versandapotheken eine Hintertür öffnen? Boni-Verzicht gegen Liefererlaubnis nach Deutschland?
KIPPELS: Das wäre ein gangbarer und intelligenter Kompromiss. Ich neige aber derzeit noch zu der Annahme, dass dafür der Boden noch nicht bereitet ist. Bisher war die Diskussion sehr konfrontativ. DocMorris sieht sich durch das EuGH-Urteil gestärkt und keine Veranlassung für Kompromisse.
ADHOC: Gibt es in der CDU/CSU-Fraktion überhaupt noch eine Mehrheit für ein Rx-Versandverbot?
KIPPELS: Konsequente Verbotsvorschriften sind nie besonders opportun und systemisch problematisch. Ein Verbot wäre aber kein Votum gegen die Digitalisierung. Das hat miteinander nichts zu tun. Wir müssen aber aufpassen, dass auf dem Markt kein von Kunden gewünschtes und etabliertes Geschäftsmodell abgewürgt wird. Hilfreich wäre es, wenn die Krankenkassen ihre Kunden nicht in die Arme der Versandapotheken treiben würden. Das finde ich nicht sauber. Die Kassen sollten ein Interesse am Erhalt der Vor-Ort-Apotheken mit ihrem kompletten Serviceangebot haben.
ADHOC: Gibt es eine Mehrheit in der Union oder nicht?
KIPPELS: Ich kann das nicht absehen. Das Nein zum Rx-Versandhandel war getragen von Hermann Gröhe. Jens Spahn als neuer Gesundheitsminister hat zur Gesamtthematik eine etwas liberalere Auffassung. Es würde sicher kein einstimmiges Votum zu Gunsten des Rx-Versandverbots in der Unionsfraktion geben. Das ist klar. Es gibt auch in der Union zahlreichen Stimmen, die den Rx-Versandhandel erhalten wollen. Das kann man nicht leugnen.
ADHOC: Bei einem neuen Anlauf müsste es also einen neuen Gesetzentwurf geben. Gröhes Gesetz ist nicht umsetzbar?
KIPPELS: Ja. Gröhes Entwurf war eine politische Positionierung. Jetzt muss ein anderes Gesetz entwickelt werden. Man könnte ja auch für die Übergangszeit, also befristet, über eine Kompensation für die Vor-Ort-Apotheken nachdenken für die Ausfälle durch den Versandhandel. Das müssen wir uns alles genau ansehen und gegeneinander abwägen. Auch das Honorargutachten des Bundeswirtschaftsministeriums spielt da hinein.
ADHOC: Nehmen Sie das ernst?
KIPPELS: Das spielt keine Rolle. Es ist in der Welt. Ich kann mich den Schlussfolgerungen zur vorgeschlagenen Honorarsenkung nicht anschließen. Das ist nicht überzeugend. Aber ich muss das Gutachten zur Kenntnis nehmen. Die Absichtserklärung des Koalitionsvertrags bleibt für mich trotz allem zunächst die Zielrichtung.
ADHOC: Was halten Sie von einem freiwilligen Anti-Boni-Moratorium mit den ausländischen Versendern für zwei Jahre?
KIPPELS: Ich könnte mir vorstellen, dass das in der deutschen Apothekerschaft zu einer gewissen Beruhigung führen würde. Wir müssen jetzt auf jeden Fall handeln. Ein solches Moratorium könnte dabei natürlich sehr helfen.
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