Kindergarten sorgt für Kundenschwund Hagen Schulz, 20.07.2019 08:43 Uhr
Wie für andere Geschäfte gilt auch für Apotheken, dass die Lage über den wirtschaftlichen Erfolg entscheidet. Das musste Sonja Lechner, Inhaberin der Engel-Apotheke im bayerischen Neuburg, leidvoll erfahren. Denn Parkplätze sind vor ihrem Betrieb Mangelware. Die wenigen verfügbaren Stellflächen werden zudem regelmäßig von den Gästen des angrenzenden Kindergartens blockiert. Auch weil sich die Eltern uneinsichtig zeigen, muss Lechner ihre Apotheke nun schließen.
Zwei Einfahrten zur Engel-Apotheke gibt es und zwei für Kunden reservierte Parkflächen. Allerdings gibt es in unmittelbarer Nachbarschaft auch einen Kindergarten. Den Eltern seien die Regeln egal, klagt die Inhaberin. Sie blockieren Zufahrt und Parkplätze vor der Apotheke. „Es gab Gespräche mit der Kindergartenleitung. Auf Elternsprechtagen wurde auf die Problematik hingewiesen“, erzählt die Apothekerin. Geholfen hat es nicht.
Die fehlenden Parkmöglichkeiten machen es schwer, neue Kunden zu gewinnen und bisherige zu behalten. Eine zusätzliche Schwierigkeit stellte die Eröffnung eines Ärztehauses in Neuburg dar. Viele Arztpraxen aus dem Umfeld der Engel-Apotheke sind dorthin umgezogen. „Es war mal ein guter Apothekenstandort, aber jetzt nicht mehr“, fasst Lechner zusammen.
Am 31. Juli ist daher Schluss, dann schließt die Engel-Apotheke endgültig. Aufgrund der problematischen Lage versuchte Lechner gar nicht erst, einen Nachfolger für die Räumlichkeiten zu finden. Stattdessen wird nun ein Geschäft aus einer anderen Branche dort einziehen. Die Probleme bleiben aber die gleichen: „Auch Cafés und Einkaufsläden haben seit Eröffnung des Ärztehauses mit Kundenschwund zu kämpfen. Wer nach dem Arztbesuch noch etwas essen oder trinken will, tut es eben dort und nicht mehr hier in der Nachbarschaft“, erklärt Lechner.
Ihren Kunden fällt der Abschied schwer. „Sie stellten natürlich Fragen nach dem Warum. Viele sind einfach nur traurig und gerührt“, erzählt Lechner bewegt. Wer stets zu Fuß oder mit dem Fahrrad in die Engel-Apotheke kam, blieb dem Betrieb bis zuletzt treu. Das galt zumeist aber nur für die ältere Generation. Bei den jüngeren Menschen müsse alles schnell gehen, daher seien sie oft mit dem Auto unterwegs, seufzt Lechner. Hier falle die problematische Parksituation vor der Apotheke besonders ins Gewicht.
Die Folge war ein immer kleiner werdender Kundenstamm, Neukunden blieben aus. „Irgendwann fehlt die Kraft für die tägliche Auseinandersetzung mit den Eltern vom Kindergarten und den Kampf um neue Kunden“, begründet Lechner ihren Schritt, die Engel-Apotheke zu schließen. Zwölf Jahre hatte sie den Betrieb geleitet, davor war ihr Vater für fast 40 Jahre der Inhaber.
Lechner übernimmt künftig eine Apotheke im 25 Kilometer entfernten Hohenwart. Ihre drei Mitarbeiter hätte sie gerne mitgenommen, doch: „Für sie wäre der Weg zu weit gewesen.“ Zwei von ihnen kommen nun in einer rund 15 Minuten entfernten Apotheke unter, die dritte Mitarbeiterin geht in den Ruhestand. Für ihre neue Apotheke sucht Lechner derweil noch neues Personal. Sie will die Weichen für die Zukunft stellen und hofft vor allem auf die Bewerbungen junger Fachkräfte.