Kinderarzneimittel: Austausch und Retaxsperre Patrick Hollstein, 14.09.2023 10:58 Uhr
Im Kampf gegen Lieferengpässe will Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) neben dem Beirat nun auch noch einen Steuerungskreis einrichten. Außerdem soll es Erleichterungen beim Austausch geben. Im Grunde werden die Corona-Sonderregelungen, die mit dem Engpass-Gesetz (ALBVVG) nicht verlängert wurden, wie eingeführt.
Lauterbach sagte, die aktuelle Lage sehe deutlich besser aus als im vergangenen Jahr. Die Produktionsmengen bei Kinderarzneimitteln und Antibiotika lägen teilweise bis zu 100 Prozent über Vorjahr. Engpässe bei Hilfsstoffen und Packmaterialien hätten beseitigt werden können, die Produktion laufe auf Hochtouren. „Die Auswertungen des BfArM zur Versorgungslage bestätigen die Produktionssteigerung.“
Bei „Vermeidung von Hamsterkäufen“ sei die Versorgung mit Kinderarzneimitteln daher im Herbst und Winter „weitgehend gesichert“, so Lauterbach. Eltern sollen daher keine unnötigen Vorräte für Kinderarzneimittel horten, Lauterbach sprach von einem Tagesbedarf an Fiebersaft. Um dies zu unterstützen, habe man sich auf eine „sachlich-realistische Kommunikation“ verständigt. „Besonnenes Handeln aller Akteurinnen und Akteure wirkt Engpässen in der Arzneimittelversorgung entgegen.“
Austausch ohne neues Rezept
Wesentliche Neuerung sei, dass man die Befugnisse der Apotheken bei Kinderarzneimitteln der Dringlichkeitsliste deutlich ausdehne, so Lauterbach: „Hier können die Darreichungsformen verändert werden, hier können Rezepturen hergestellt werden, auch ohne dass hier ein neues Rezept notwendig ist. Wir geben viel Verantwortung in die Hände der Apotheken, damit wir das Problem ohne Belastung der Praxen niedrigschwellig lösen können.“ Rechtlich werde man das arrondieren im Pflegestärkungsgesetz.
Die Apotheken sollen die Eltern dahingehend beraten und ihre Bevorratung anpassen. Der Austausch etwa von Saft auf Tablette werde ausgeweitet und weiter erleichtert. Für die Herstellung von Rezepturen und für den Austausch der Darreichungsform werde bei diesen Kinderarzneimittel eine Retaxation ausgeschlossen. Abda-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening sagte, man werde die Möglichkeiten nutzen, brauche aber dauerhaft mehr Freiheiten bei der Abgabe – und zwar bei allen Arzneimitteln.
Wöchentliches Update
Wöchentlich sollen sich die Akteure unter Leitung von Unterabteilungsleiter Dr. Lars Nickel austauschen. „Durch diese High-Level-Lösung mit Bericht an mich werden wir einen klaren Gefechtsstand haben.“
Die Kinder- und Jugendarztpraxen sowie die Hausärztinnen und Hausärzte sollen insbesondere Antibiotika sparsam verordnen. „Tabletten können bei Bedarf halbiert und geviertelt werden, um Dosierungen anzupassen und die Einnahme für Kinder zu erleichtern“, heißt es im Fünf-Punkte-Plan.
Importe und weitere Maßnahmen
Wenn es trotzdem zu Engpässen kommen sollte, seien zusätzlich Importe möglich. „Wenn es notwendig würde, erwägen wir weitere Schritte, die ich aber nicht vorstellen werde, weil ich sie für nicht notwendig halte.“
Festbeträge bleiben bei den dringlichen Kinderarzneimitteln weiter ausgesetzt, Aufzahlungen der Eltern werden damit vermieden. Auch Rabattverträge für Kinderarzneimittel werden ausgeschlossen. Teva-Deutschlandchef Andreas Burkhardt forderte weitere Maßnahmen, um zusätzliche Hersteller zu gewinnen. Das Aussetzen der Festbeträge habe zunächst nur ein Abfedern der Inflation ermöglicht.