Keine Bürgerversicherung zulasten der GKV dpa/ APOTHEKE ADHOC, 03.01.2018 10:21 Uhr
Mit Blick auf die beginnenden Sondierungen über die Fortsetzung einer großen Koalition warnt die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) vor einer überstürzten Einführung einer von der SPD favorisierten Bürgerversicherung zu Lasten ihrer Beitragszahler. Die offensichtlichen Probleme der privaten Krankenversicherung (PKV) dürften nicht auf dem Rücken der Beitragszahler der gesetzlichen Krankenversicherung gelöst werden, sagte die Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, Doris Pfeiffer.
Pfeiffer hatte dabei vor allem Überlegungen im Blick, dass privatversicherte Beamte individuelle Wechseloptionen in die gesetzliche Krankenversicherung bekommen sollen. Zudem sollen die höheren Arzthonorare für privat Versicherte, so die Überlegungen, möglicherweise zu Lasten gesetzlich Versicherter anglichen werden, falls die PKV abgelöst wird.
Der Chef der Techniker Krankenkasse (TK), Jens Baas, sagte: „Wir müssen sehr genau hinsehen, wie der Übergang in einen einheitlichen Versicherungsmarkt gestaltet werden kann.“ An die Adresse der Politik sagte er, die Krankenkassen rieten, diesen Übergang sorgfältig zu planen und nicht in Aktionismus zu verfallen. Nach seiner Einschätzung ist die PKV in ihrer heutigen Form nicht überlebensfähig. „Früher oder später müssen wir den Weg in einen einheitlichen Versicherungsmarkt finden.“
Gesetzlich Versicherte könnten bei einem solchen Übergang dann besonders belastet werden, „wenn teure Versicherte aus der PKV wieder in die Solidargemeinschaft integriert werden, nachdem sie sich in jungen Jahren dem System entzogen haben“. Bei einer freiwilligen Wechseloption würden wohl zu allererst diejenigen in die GKV kommen, die im Alter ihre exorbitanten Versicherungsprämien nicht mehr stemmen könnten oder hohe Risikozuschläge zahlen müssten, weil sie krank sind.
Baas kritisierte, dass es unzählige unterschiedliche Modellrechnungen für eine Bürgerversicherung gebe. Ein einheitlicher Versicherungsmarkt kann nach seiner Einschätzung für den Staat in den ersten Jahren durchaus teurer werden. Langfristig sei jedoch mit einer deutlichen Entlastung zu rechnen. Aber: "Hausnummern in die Welt zu stellen, kann eine sachliche Debatte eines derart komplexen Themas eher erschweren."
Pfeiffer zeigte sich indessen verärgert, dass die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung gegenüber der privaten schlecht geredet würden. „Ob es eine Bürgerversicherung gibt oder nicht, wird die Politik entscheiden. Ich finde es allerdings ärgerlich, dass es immer wieder heißt, die Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung sei angeblich schlechter und deshalb beispielsweise Beamten nicht zuzumuten.“
Der Vorsitzende des Beamtenbundes (dbb), Ulrich Silberbach, sagte dagegen: „Das Einheitsversicherungsmodell der SPD löst weder die finanziellen oder strukturellen Probleme der gesetzlichen Krankenversicherung, noch sorgt es für mehr Gerechtigkeit. Im Gegenteil, mangels Konkurrenz und Quersubventionierung werden am Ende alle gesetzlich Versicherten schlechter versorgt sein als heute und die, die es sich leisten können, werden sich qualitativ hochwertige ärztlich Versorgung auf dem Markt dazu kaufen.“
Eine der Kernforderungen der SPD ist der Umbau des Versicherungssystem zu einer Bürgerversicherung. Dazu haben führende Gesundheitspolitiker der SPD bereits Kompromisslinien aufgezeigt. Anders als bei früheren Vorstößen will die SPD weder auf Kapitaleinkünfte noch auf Mieten Beiträge erheben. Der aus SPD-Sicht notwendige Sozialausgleich soll über den Steuerzuschuss erfolgen. Wichtig für die SPD ist die Rückkehr zur paritätischen Finanzierung. Die SPD strebe keine Einheitsversicherung an, betonte Karl Lauterbach mehrfach.
Im ersten Schritt werde es darum gehen, die Ärztehonorierung für Kassen- und Privatpatienten anzunähern, um die gefühlte „Zweiklassenmedizin“ in der ambulanten Versorgung zu beenden. Und Beamte sollen auf freiwilliger Basis in die GKV einbezogen werden und dazu von ihren Dienstherren einen Arbeitgeberzuschuss erhalten (Hamburger Modell).
Heute beginnen die Sondierungen zwischen Union und SPD über die Bildung einer neuen Regierung. Die Parteichefs von CDU, CSU und SPD, Angela Merkel, Horst Seehofer und Martin Schulz, wollen den Fahrplan festlegen. Am Sonntag sollen die inhaltlichen Gespräche starten. Die Sondierung soll am 12. Januar abgeschlossen sein. Die SPD will am 21. Januar auf einem Sonderparteitag über auf Aufnahme von formalen Koalitionsverhandlungen mit der Union entscheiden. In der SPD ist die Fortsetzung der Großen Koalition höchst umstritten.