Das ARD-Wirtschaftsmagazin „Plusminus“ hat die Entstehung der Medikamentenpreise unter die Lupe genommen. Dazu wollte es auch die Stellungnahme eines ehemaligen Lobbyisten, der 2013 die Preisregulierungen in der Pharmaindustrie anprangerte. Fünf Jahre später gibt er sich schweigsam: Mehrere Interviewanfragen der ARD lehnte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) ab.
Zwei Monate lang hätten die ARD-Redakteure versucht, einen Interviewtermin bei Spahn zu bekommen. Erfolglos. Dabei hätte der Politiker zu interessanten Fragen Stellung nehmen können. Schließlich hatte er 2013 online verkündet, dass die „Tonlage in den Medien unerträglich falsch“ sei, wenn es um Arzneimittel und die Pharmaindustrie gehe. Die Sendung beschäftigte sich mit dem interessanten Thema, wie Medikamentenpreise eigentlich zustande kommen. Denn: „Die Kosten steigen und steigen...“
Wie viel genau die Packung kostet, die der Patient in der Apotheke erhält, weiß nur der Privatpatient. Der gesetzlich Versicherte bezahlt fünf oder zehn Euro und erfährt nie, was seine Arzneimittel tatsächlich kosten. Der Privatpatient hingegen muss das Geld vorstrecken. Plusminus präsentierte einen Berliner Multiple-Sklerose-Patient, der seit 21 Jahren an der Krankheit leidet. Seine Medikamente in der Apotheke bezahlt er im ARD-Beitrag mit EC-Karte: 5803,04 Euro.
In Schweden kostet das Medikament beispielsweise rund 3000 Euro weniger. Plusminus präsentiert weitere Zahlen: „Wenn ein Durchschnittsmedikament in Deutschland 100 Euro kostet, so kostet es in England und Österreich circa 80 Euro, in Dänemark 69 und in Schweden 65.“
TK-Chef Jens Baas bestätigt in dem Fernsehbericht: „Vor fünf Jahren lagen die Kosten für Medikamente bei 30 Milliarden Euro, jetzt bei fast 40 Milliarden.“ Was also treibt die Preise, fragt „Plusminus“. Die Antwort: Zum einen die „Mondpreise“. So nenne man die „sehr hohen Kosten für neue Medikamente. Laut Gesetz darf jeder Hersteller im ersten Jahr jeden beliebigen Preis fordern, den die Kasse ein Jahr lang bezahlen muss.“ In dieser Zeit wird geprüft, ob das neue Medikament besser ist als vorhandene. Plusminus: „Erst dann wird der Preis verhandelt. Wenn das Medikament nicht besser ist als die bewährten, wird nur ein geringerer Preis für die Zukunft vereinbart. Das Geld für die Mondpreise im ersten Jahr darf der Hersteller trotzdem behalten.“
Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) konstatiert, dass 60 Prozent der neuen Mittel nicht besser wären als bewährte. TK-Chef Baas fordert eine Preisfestsetzung im ersten Jahr. „Plusminus“ schlägt vor: Ist ein neues Medikament nicht besser als ein vorhandenes, soll der Hersteller die Preisdifferenz nach einem Jahr zurückzahlen. Naturgemäß lehnt das der Verband der forschenden Arzneimittelhersteller (VfA) ab und warnt vor „jeder Menge Bürokratie“.
Auch Gesundheitsökonom Reinhard Busse wurde für den ARD-Beitrag interviewt. Er erläutert einen weiteren wichtigen Punkt dafür, dass die Preise der Medikamente für Versicherte jährlich steigen: Wenn ein neues Medikament etwa gut gegen Brustkrebs hilft, darf es auch bei anderen Krebsarten verschrieben werden, auch wenn es nicht besser ist als günstigere Medikamente. Das Plusminus-Fazit: „Für die Hersteller gibt es mehr Gewinn, für das Gesundheitssystem eine unnötige Belastung.“
Als drittes Problem für steigende Arzneimittelkosten beschreibt „Plusminus“ die mangelnde Transparenz. Der Vorwurf: Obwohl die Allgemeinheit für die Arzneimittel aufkomme, wisse niemand, wie sich die Kosten für die Entwicklung eines Medikaments zusammensetzten, eine Kontrolle sei nicht möglich.
Professor Arnold Ganser von der Uniklinik Hannover behandelt Krebspatienten. Er sagt: „Ich kritisiere nicht, dass bei den Entwicklungskosten auch mal Medikamente dabei sind, die nicht zur Marktreife kommen, aber schon hunderte Millionen Euro gekostet haben. Das muss man auffangen, das kritisiere ich nicht.“ Aber er kritisiert die Marketingkosten, die „zwei bis dreimal höher als die Entwicklungskosten“ seien und eingerechnet werden.
„Plusminus“ fordert Transparenz, wenn man die hohen Kosten senken möchte: „Pharmaunternehmen sollten gegenüber Krankenkassen offenlegen, welches Geld sie wofür ausgeben.“ Das will der Verband der forschenden Arzneimittelhersteller auf keinen Fall: „Diese Kalkulationen werden aus wettbewerbsrechtlichen Gründen nicht offengelegt.“
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