VOASG im Bundestag

„Kein Wild-West mehr beim Bonus“

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Berlin -

Fairer Wettbewerb, mehr Dienstleistungen, Stärkung bei der Digitalisierung: Das sind die Ziele, die Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) mit dem Apothekestärkungsgesetz (VOASG) verfolgt. „Wir wollen die Apotheken für die 20er-Jahre fit machen – für den Alltag und für den Notfall“, so Spahn bei der 1. Lesung im Bundestag. Der Name des Gesetzes sei Programm.

Die Pandemie habe gezeigt, wie wichtig die Arbeit der Apotheken vor Ort sei. Sie seien von Anfang an für die Patienten erreichbar gewesen und hätten niedrigschwellige Beratung geboten. Er selbst habe beobachtet, wie sich Schlangen gebildet hätten. Gerade Chroniker und Patienten mit schwerwiegenden Erkrankungen hätten sich Sorgen gemacht und in den Apotheken Hilfe gesucht. Dort seien sie intensiv beraten und unterstützt worden – und hätten wieder Sicherheit gefunden. Als weiteres Beispiel nannte Spahn die Herstellung von Desinfektionsmittel.

„Ein großes Dankeschön an alle Apothekerinnen und Apotheker, Pharmazeutisch-Technische Assitentinnen und Assistenten und alle anderen, die in den Apotheken arbeiten.“ Sie alle hätten eine „Wahnsinnsarbeit“ geleistet.

Wichtig sei nun, zusätzliche Dienstleistungen zu vergüten. Bislang sei das Honorar alleine an die Abgabe gekoppelt – Spahn will auch die Medikationsberatung vergüten, präventive Angebote und Grippeimpfungen – hier wünsche er sich, dass bereits in diesem Herbst in verschiedenen Regionen Modellprojekte durchgeführt würden. Beim Notdienst habe man bereits die Vergütung angehoben, so Spahn.

Als zweiten Punkt will Spahn die Apotheken für die Digitalisierung fit machen. Das Papierrezept erinnere eher an die 80er-Jahre. Allerdings brauche es auch beim E-Rezept klare Regeln, damit der Patient auch in Zukunft entscheiden könne, in welcher Apotheke er sein Rezept einlösen wolle.

Dritter Punkt sei fairer Wettbewerb bei den Preisen. „Wir wollen kein Wild-West mehr beim Bonus“, so Spahn. Dies gelte insbesondere bei Medikamenten, die von den Krankenkassen bezahlt würden. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) habe Boni nur für ausländische Versender erlaubt. „Deutsche Apotheken können und wollen keine Boni geben. Und wir als Koalition wollen es auch nicht.“ Arzneimittel seien Ware der besonderen Art. Im Übrigen helfe auch das Botendiensthonorar dabei, die Apotheken vor Ort zu stärken.

Paul Viktor Podolay von der AfD lobte die Apotheken als „wichtigste und stabilste Säule im Gesundheitswesen“. Vor allem auf dem Land seien sie aber durch den ausländischen Versandhandel gefährdet – deshalb brauche es ein Rx-Versandverbot, wie auch vom Bundesrat gefordert. Alles andere sei „Augenwischerei“ – das VOASG sei eine „substanzlose Initiative“.

Laut der SPD-Gesundheitspolitikerin Sabine Dittmar hat der EuGH vor vier Jahren Fakten geschaffen – ohne dass sich seitdem die Marktanteile signifkant verschoben hätten. Warum das so sei? Weil die Patienten die Apotheken vor Ort zu schätzen wüssten. Es sei wichtig und richtig, die Apotheken zu stärken, so Dittmar. Bei speziellen Bedürfnissen der Patienten sei der Versandhandel aber eine wichtige Alternative, sagte Dittmar und verwies dann auf den Bereich der Sterilherstellung. Generell sei man aber als SPD dabei, gleich lange Spieße herzustellen.

Für die FDP polterte Christine Aschenberg-Dugnus gegen das VOASG: Es sei mit heißer Nadel gestrickt und offensichtlich europarechtswidrig. Deutschland riskiere Schadenersatzforderungen – „und da machen wir nicht mit!“ Die Gleichpreisigkeit dadurch zu erreichen, dass die entsprechenden Vorschrift vom Arzneimittel- ins Sozialrecht überführt würden, sei ein „Taschenspielertrick“, von dem sich Brüssel nicht beeindrucken lassen werde. Da die Regierung kein Notifizierungsverfahren angestrengt habe, blieben die europarechtlichen Bedenken. „Ein zweites Debakel wie die Maut können wir uns nicht leisten.“

Der Gesetzentwurf basiere auch auf der falschen Annahme, dass die flächendeckende Versorgung vor Ort durch die Boni des Versandhandels gefährdet sei. Dafür gebe es keine Belege oder Anhaltspunkte – im Gegenteil: Patienten lösten ihre Rezepte trotz der Boni weiter in der Apotheke vor Ort ein. Aschenberg-Dugnus verwies auf den eigenen Vorschlag, innerhalb eines bestimmten Korridors Boni zuzulassen.

Dr. Petra Sitte von der Linksfraktion geht das VOASG nicht weit genug. „Sie drängen die Apotheken in Konkurrenz mit multinationalen Konzernen!“ Schweiz, Cayman Island, Saudi Arabien, zog Sitte die Spur des Geldes nach. Solche Strukturen nützten allenfalls der Steuerersparnis, nicht aber der Versorgung vor Ort. Der Versandhandel nütze nicht der schnellen Versorgung, gefährde aber die Apotheken vor Ort, deren Zahl in den letzten Jahren um 10 Prozent rückläufig gewesen sei. Selbst vermeintliche Verbesserungen wie das Botendiensthonorar seien eigentlich Verschlechterungen. auf Korrekturen“, so Sitte mit Verweis auf den Koalitionsvertrag.

Kordula Schulz-Asche von den Grünen bezeichnete das VOASG als „Höhepunkt in einem seit vier Jahren dauernden Trauerspiel“. Die „juristische Finte“ des Bonusverbots im Sozialgesetzbuch (SGB V) werde der EuGH durchschauen – das VOASG verlängere nur die Debatte um das Rx-Versandverbot und verhindere eine Diskussion um tatsächliche Verbesserungen. Sie erinnerte an ihre eigenen Vorschläge, die Vergütung statt über die Abgabe über Dienstleistungen zu regeln. Außerdem solle der Nacht- und Notdienstfonds (NNF) in einen Sicherstellungsfonds überführt werden.

Michael Hennrich (CDU) outete sich als Fan des Rx-Versandverbots – räumte aber ein, dass dieses nicht von den Patienten, sondern von den Apotheken getriggert werde. „Wir müssen die Realitäten anerkennen“, so Hennrich. Sein Ziel ist es, möglichst nah den Zustand der Koexistenz, wie er vor dem EuGH-Urteil bestanden habe, zurück zu kommen. „Wir hatten einen funktionierenden Markt mit einem guten Nebeneinander – mit dem zwar beide Seiten unzufrieden waren, nicht aber die Patienten.“

Hennrich geht davon aus, dass die Preisbindung über das Sozialrecht Bestand haben wird. Schließlich habe man auch schon die Honorare für Ärzte und Kliniken überführt. Hennrich will aber auch im PKV-Bereich zu einheitlichen Preisen kommen – immerhin änderten sich mit dem E-Rezept die Rahmenbedingungen, auf die der EuGH abgehoben habe. „Das ist ein Paradigmenwechsel“, so Hennrich. Außerdem will er Verträge über Dienstleistungen in den Ländern ermöglichen – auf Bundesebene gebe es Blockaden. Und schließlich peilt er ein Verbot von integrierten Strukturen wie DocMorris/Teleclinic an, um die Trennung von Verordnung und Abgabe zu sichern. „Hier müssen wir Flagge zeigen und eine Regelung finden.“

Erstaunlich zuversichtlich zum Bonusverbot äußerte sich Edgar Franke (SPD). Er glaubt, dass es Bestand haben wird und dass damit der „gordische Knoten“ gelöst wird. Nach langer Diskussion habe man endlich eine ordnungspolitische Entscheidung gefunden, die man Patienten und Apothekern schuldig gewesen sei. Allerdings sieht er auch, dass für Kassen- und Privatpatienten keine unterschiedlichen Maßstäbe gelten dürfen. Zum ersten Mal führe man eine dauerhafte Vergütung des Botendienstes ein, außerdem mache man die Apotheken digitaler. „Das Papierrezept ist ein Rezept von gestern.“

Laut Emmi Zeulner (CSU) ist der Gesetzgeber verpflichtet, die Apotheken bei der Ausübung ihrer Arbeit bestmöglich zu unterstützen. Denn die Arzneimittelversorgung sei eigentlich eine hoheitliche Aufgabe, die der Staat den Apotheken übertragen habe. Sie lobte die hervorragende Arbeit, die mit viel Einsatz und Kompetenz erbracht werde. „Wir wollen Qualitäts- statt Preiswettbewerb.“ Überall im Land sollten Menschen für Medikamenten denselben Preis zahlen und sicher sein können, dass sie nicht übervorteilt werden.

Das Rx-Versandverbot sei für sie der Königsweg – nicht weil sie gegen Versandhandel sei, sondern weil sich so die Gleichpreisigkeit am besten garantieren lasse. Zeulner ist sich sicher, dass gegen das Bonusverbot geklagt wird – wenn es nicht hält, werde man erneut das Rx-Versandverbot einfordern, versprach sie. „Das ist ein starkes Paket für die Vor-Ort-Apotheken.“

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