Kein RxVV, dafür 375-Millionen-Euro-Paket Lothar Klein, 11.12.2018 11:20 Uhr
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) ist zur Stunde zu Gast bei den Apothekern. Auf der ABDA-Mitgliederversammlung will er seine Pläne vorstellen. Erste Informationen sickern durch: Wie erwartet wird es mit Spahn kein Rx-Versandverbot geben, dafür soll der Nacht- und Notdienstfonds knapp verdoppelt werden. Rx-Boni sollen gedeckelt werden, die Apotheken bekommen ein Gesamtpaket von 375 Millionen Euro.
10.25 Uhr: Als Letzter betritt Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) Saal II im 1. Obergeschoss im Hotel Martim Pro Arte. Als Empfangskomitee hat die ABDA ihren Vize-Präsidenten Mathias Arnold vor die Tür in den Nieselregen geschickt, Spahn fährt mit der Limousine vor. Im Saal hat ABDA-Präsident Friedemann Schmidt pünktlich um 10.15 Uhr die entscheidende Sitzung eröffnet. Als Spahn in den Saal tritt, ertönt leichter Höflichkeitsbeifall. Der Minister hat seinen Abteilungsleiter Thomas Müller mitgebracht.
Dann geht es zur Sache: Wie erwartet wird es kein Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln geben. Spahn galt nie als Fan des Vorhabens aus dem Koalitionsvertrag. Dafür war immer wieder ein Boni-Deckel für ausländische Versandapotheken im Gespräch, auf den sich dem Vernehmen nach sogar die Holland-Versender einlassen würden. Die Zugaben sollen demnach auf 2,50 Euro begrenzt werden.
Die deutschen Apotheken sollen entschädigt werden. Das Gesamtpaket soll dem Vernehmen nach 450 bis 500 Millionen Euro schwer sein, darin enthalten ist aber schon die Erhöhung der Herstellungspreise für Zyto-Apotheken von 120 Millionen Euro. Diese müssen im Gegenzug aber auf ihre Einkaufsrabatte verzichten: Mit dem Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) sollen die Kassen im Bereich der Sterilherstellung ab 2020 um 180 Millionen Euro entlastet werden. Mehrausgaben von rund 120 Millionen Euro wegen höherer Arbeitspreise stehen Einsparungen von rund 300 Millionen Euro gegenüber. Das Paket, das Spahn heute vorgestellt hat, könnte den Apothekern demnach 330 bis 380 Millionen Euro zusätzlich bringen.
Teil des Honorarpakets soll eine knappe Verdopplung des Nacht- und Notdienstfonds sein. Derzeit wird der Fonds über einen Festzuschlag pro rezeptpflichtigem Arzneimittel in Höhe von 16 Cent finanziert. Je nach Anzahl der geleisteten Notdienste erhalten die Apotheker aus diesem Topf eine pauschale Vergütung pro Dienst. Damit sollen vor allem Landapotheken unterstützt werden. Die Politik hat eine Erhöhung des Zuschusses in Aussicht gestellt.
Die Mitgliederversammlung ist so gut besucht wie schon lange nicht mehr. Die Erwartungen waren zu Beginn hoch. Die Kammer Saarland hat wie schon beim Deutschen Apothekertag wieder ihre Transparente mitgebracht: „Eine EU – Ein Recht AMPreisV Für Alle“ steht darauf zu lesen. „Es wird Gegenstimmen geben“, hatte Schmidt bereits bei der Kammerversammlung Westfalen-Lippe orakelt. Aus dem Saarland kommen einige davon.
Der Apothekerverband Hessen hat zwei Anträge zur Mitgliederversammlung eingereicht. Es soll nicht nur über Gleichpreisigkeit diskutiert, sondern auch ein Beschluss gefasst werden. Und wissen wollen die Hessen, was der von Spahn heute verkündete Plan B in Euro und Cent Wert ist. Dazu soll sich die ABDA erklären. Wie viel der Abschied vom Rx-Versandverbot gekostet?
Denn Illusionen über den Ausgang des Tages machen sich die wenigsten. „Hier wird Plan B verkündet, mitreden können wir nicht“, sagte ein Delegierter. Plan B sei längst von der engeren ABDA-Führung mit Spahn ausgedealt, nur Schmidt, Becker, und ABDA-Hauptgeschäftsführer Sebastian Schmitz. Jetzt muss sich zeigen, wie viele von den Wünschen der ABDA sich darin wiederfinden. 10 Punkte habe die ABDA dem BMG vorgeschlagen, heißt es am Rande bei den Mitgliedern, „sechs davon kamen sowieso aus dem BMG“, vermutet ein Delegierter.
Mit der ABDA-Mitgliederversammlung geht heute ein achtmonatiger Prozess zu Ende. Ende April hatte sich die ABDA-Spitzen erstmals mit dem neuen Bundesgesundheitsminister getroffen. Es wurde Stillschweigen vereinbart. Allerdings wurde immer deutlicher, dass Spahn die ABDA bereits im April klare Botschaften mit auf den Weg gegeben hat: Kurz vor dem DAV-Wirtschaftsforum rückte CDU-Gesundheitspolitiker Michael Hennrich vom Rx-Versandverbot ab. Davor hatte bereits Georg Kippels erklärt, dass es für das Rx-Versandverbot in der CDU/CSU-Fraktion keine Mehrheit mehr gebe.
Die ABDA reagierte auf die veränderte Lage zunächst mit einem politischen Ausfallschritt: Die Sommer-Mitgliederversammlung beschloss plötzlich die rasche Einführung des E-Rezepts. Bis Mitte 2020 will die ABDA am Start sein – ein digitale Kehrtwende und ein Signal an Spahn: „Wir haben verstanden“.
Als Apotheker Christian Redmann im Sommer seine Rx-Versandverbots-Petition startet, fällt der ABDA die Unterstützung schwer. Das sei kein geeignetes Mittel politischer Lobbyarbeit, beschied die ABDA. Zu diesem Zeitpunkt steckte die ABDA schon tief in den Verhandlungen mit dem BMG über Plan B.
Und dann der Deutsche Apothekertag (DAT): Spahn kommt und verkündet nichts. Nur zwischen den Zeilen kann man lesen, dass er kein Verbot des Rx-Versandhandels will. Er bietet den Delegierten das Impfen an, „lasst uns reden“, wie man die Apotheken Zukunftsfest machen kann. Ein „Weiter-so“ könne es nicht geben, resümierte zum DAT-Abschluss der ABDA-Präsident, man werde „Kröten“ schlucken müssen. Die liegen jetzt im Saal II auf dem Tisch.