Kein Mutterschutz für Selbstständige Alexander Müller, 21.03.2023 10:52 Uhr
Mutterschutz und Elternzeit ist für Angestellte kein Problem – bei Selbstständigen ist die Situation komplizierter. Tischlermeisterin und Restaurateurin Johanna Röh will zusammen mit zwei anderen Unternehmerinnen mit einer Petition an den Bundestag eine umfassende Reform des Mutterschutzes anstoßen. Auch Apothekeninhaber:innen stehen bei der Familienplanung vor diesen Herausforderungen, zumal hier noch die berufsrechtlichen Vertretungsregeln zu beachten sind.
Laut Bundesfamilienministerium erhalten privat krankenversicherte Selbstständige kein Mutterschaftsgeld. Sie müssen eine private Krankentagegeldversicherung abschließen, und dort gilt es Wartezeiten zu beachten. Die Schwangerschaft muss also gut geplant sein.
Wer als Selbstständige freiwillig bei einer gesetzlichen Krankenkasse versichert ist, erhält während der Mutterschutzfristen Mutterschaftsgeld in Höhe des Krankentagegeldes von der Krankenkasse. Allerdings muss der Krankentagegeldanspruch mit abgesichert werden. Wer darauf verzichtet, hat keinen Anspruch auf Mutterschaftsgeld. Gleich, ob privat oder gesetzlich versichert – als Unternehmerin müsse sie Zusatzversicherungen abschließen, kritisiert Röh.
Sie ist seit 2016 selbstständig, doch seit im vergangenen Mai ihre Tochter Mela zur Welt kam, ist für die 35-Jährige vieles anders. „Als schwangere Unternehmerin passe ich nicht ins System“, hat sie festgestellt. Krankengeld habe sie nicht bekommen, weil die Berechnung des Krankengeldes noch in die Gründungsphase ihres Unternehmens gefallen sei, als die Einnahmen noch gering und die Investitionen hoch gewesen seien, erklärt Röh.
„Als Selbstständige ist es ein krasser Wettbewerbsnachteil, wenn ich als Frau auch noch Familie möchte“, sagt die Handwerkerin. Als Selbstständige habe sie keine Leistungen bekommen, das habe ihre Familie sehr viel gekostet. „Es war zwischendurch nicht ganz klar, ob ich den Betrieb halten kann.“
Petition im Bundestag
Es sei wichtig, dass eine Schwangerschaft nicht zu einer Chancenungleichheit auf dem Arbeitsmarkt führe, sagt Röh. „Wenn ich den Betrieb schließen muss, weil ich schwanger werde, habe ich ja die doppelten Kosten – die eigenen und die vom Betrieb.“ Wenn ihr eine Arbeitskraft zur Seite gestellt worden wäre, wie in der Landwirtschaft möglich, hätte ihr das sehr viel geholfen. Finanziert werden könnte das wie in der Agrarbranche über die Sozialkassen, findet sie.
Inzwischen liegt die Petition dem Bundestag vor. Die Forderung: Selbstständige Schwangere müssen den gleichen gesetzlichen Mutterschutz genießen wie Angestellte.
Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Bündnis90/Die Grünen) immerhin sieht Regelungsbedarf. „Gleichbehandlung zwischen Selbstständigen und Angestellten ist nicht ganz einfach. Aber es muss auch Selbstständigen möglich sein, ohne zu hohe Hürden eine Familie gründen zu können“, hatte die Grünen-Politikerin bereits im Dezember den Funke-Zeitungen gesagt. „Daher sollten wir auch die Freistellung für Selbstständige ermöglichen.“
Inzwischen hat sich der Petitionsausschuss des Bundestags mit dem Papier beschäftigt, wie die SPD-Bundestagsabgeordnete für den Wahlkreis Osnabrück-Land, Anke Hennig, sagt. „Alle demokratischen Parteien haben positiv darauf reagiert“, erklärt die Politikerin. Der parlamentarische Prozess sei damit gestartet worden. Aber das Vorhaben sei komplex – es falle in die Zuständigkeit mehrerer Ministerien. Solche parlamentarischen Abläufe dauerten lang.
ZDH unterstützt die Petition
Auch der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) unterstützt die Petition, wie Verbandssprecherin Michaela Steinhauer sagt. Derzeit bestehe eine Ungleichheit zwischen abhängig beschäftigten und selbstständigen Handwerkerinnen. Dafür brauche es dringend politische Lösungsansätze. Eine Möglichkeit seien Betriebshelfer nach Vorbild der Landwirtschaft, wie von Röh & Co. gefordert. „Eine solche Vertretungsmöglichkeit sollte dann aber als gesamtgesellschaftliche Leistung aus Steuermitteln finanziert werden und nicht über Beiträge“, fordert Steinhauer.
Röh sagt: „Es muss sich etwas ändern.“ Auch ihre Auszubildende stehe möglicherweise irgendwann vor derselben Frage: Familie oder berufliche Selbstständigkeit. „Das ist ein gesellschaftliches Anliegen, nicht ein rein privates.“