Krankenkassen sollen ihren Versicherten künftig Apps verschreiben dürfen – so will es Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) in seinem „Digitale-Versorgung-Gesetz“ (DVG). Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) fühlt sich dadurch übergangen. Einen Tag vor der Anhörung vor dem Gesundheitsausschuss fordert stellvertretende KBV-Vorstandsvorsitzende Dr. Stephan Hofmeister deshalb, dass die Ärzte stärker in die Versorgung mit digitalen Anwendungen eingebunden werden sollen.
„Maßstab und Kern des ärztlichen Verständnisses einer guten Versorgung ist das Arzt-Patienten-Verhältnis – auch im digitalen Zeitalter“, stellt Hofmeister klar. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf würden nun „Experimentierräume für digitale Anwendungen“ geschaffen – die aber auch für die niedergelassenen Ärzte der Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) und für die KBV geöffnet werden müssten. „Denn wir stehen für 175.000 niedergelassene Kolleginnen und Kollegen, die genau wissen, was die Patienten für eine optimale Behandlung brauchen“, so der ausgebildete Fliegerarzt.
Könnten Krankenkassen wie bisher vorgesehen ihren Versicherten digitale Versorgungsangebote – beispielsweise in Form von Apps – machen, ohne die behandelnden Ärzte einzubeziehen, sei das „eine vertane Chance“, da dann nur „diejenigen tätig werden dürfen, die gar nicht in die Behandlung der Patienten eingebunden sind“. Auch die digitalen Angebote müssen demnach in ein therapeutisches Gesamtkonzept eingebunden werden. Die Ärzte sieht Hofmeister dafür ausreichend gewappnet: „Dieses Know-how haben wir und wollen es auch einbringen. Man muss uns nur lassen.“
Dem Gesetzentwurf gegenüber zeigt sich die KBV prinzipiell offen, fordert aber Augenmaß bei der Umsetzung. „Wir unterstützen die Digitalisierung im Gesundheitswesen. Sie ist aber kein Selbstzweck“, so Hofmeister. So müsse die Frage im Mittelpunkt stehen, wie die Digitalisierung die Versorgung verbessert. Zwingende Voraussetzung für eine sinnvolle und nutzbringende Digitalisierung sei, dass sie die Arbeit und Psychotherapeuten entlastet und unterstützt und nicht zu finanziellen Belastungen für die Praxen führt.
Außerdem gehen die Ärzte mit einer konkreten Forderung in die Anhörung: So sollen KBV und KVen die Möglichkeit erhalten, eine elektronisch gestützte arztgeführte Kommunikationslösung bereitzustellen. „Das ist eine für uns wichtige Forderung. Denn eine unbürokratische innerärztliche Kommunikation ist essenziell für eine gute Versorgung der Patienten.“ Als Grundlage dafür sieht Hofmeister „sichere und arztgeführte digitale Anwendungen sowie Dienste“. Dadurch erhielten alle nachbehandelnden Ärzte stets einen einfachen und umfassenden Zugang zu den vorherigen Befunden. „Den Nutzen davon wiederum haben letztlich die Patientinnen und Patienten mit einer verbesserten Versorgung.“
Am Mittwoch berät der Gesundheitsausschuss über den Entwurf des DVG und könnte noch einige Änderungen erfahren. So verlangt ein Änderungsantrag der Großen Koalition einen Rechtsanspruch auf digitale Fortbildungen, die von den Krankenkassen bezahlt werden sollen. Den GKV-Spitzenverband will die Große Koalition beauftragen, für alle Kassen „unter Einbeziehung unabhängigen Sachverstands“ entsprechende Angebote zu erarbeiten.
Ärzte können laut DVG künftig digitale Anwendungen verschreiben, etwa Tagebücher für Diabetiker oder Apps für Menschen mit Bluthochdruck. Damit Patienten die Apps schnell nutzen können, wird für die Hersteller ein zügiger Zulassungsweg geschaffen. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) prüft in einer ersten Stufe Sicherheit, Funktion, Qualität, Datenschutz und Datensicherheit der Produkte. Sie werden dann ein Jahr lang von der Krankenkasse erstattet. In dieser Zeit muss der Hersteller nachweisen, dass die App die Versorgung verbessert.
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