„Wir sind für Sie nah“, mit diesem Motto will die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) auf die Probleme in den Praxen aufmerksam machen. Die Kampage mit Plakaten, Anzeigen, Video-Statements von verschiedenen Ärztinnen und Ärzten, dem Hashtag #rettetdiepraxen und gleich zwei TV-Spots startet heute. Im Fokus soll die Nähe der Ärztinnen und Ärzte zu den Patientinnen und Patienten stehen. Die KBV und die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) wollen gemeinsam klarmachen, dass es höchste Zeit für einen gesundheitspolitischen Richtungswechsel sei. Die Politik müsse jetzt handeln, um die wohnortnahe Versorgung auch in Zukunft zu erhalten.
„Es ist keine Chimäre, sondern leider traurige Realität, dass die Situation der ambulanten Versorgung äußerst kritisch ist. Wir haben die Politik bereits mehrfach nachdrücklich darauf hingewiesen“, sagte KBV-Vorstandsvorsitzender Dr. Andreas Gassen. Allerdings habe man dort den Ernst der Lage bislang nicht erkennen wollen. „Diese Kampagne zeigt die emotionale Nähe zwischen Arzt und Patient, die es nur in Praxen gibt. Deshalb ist die Praxis vor Ort so eminent wichtig“, so Vize Dr. Stephan Hofmeister. „Die politischen Rahmenbedingungen torpedieren jedoch die Arbeit der Niedergelassenen“, so Hofmeister.
Aktuell seien über 5000 Hausarztsitze in Deutschland unbesetzt. Besonders die Abgangsraten durch die Babyboomer würde das Problem in Zukunft verschärfen. Vor allem dem Westen drohe ein erheblicher Hausarztmangel. Bundesweit seien mehr als 30 Prozent aller Ärzte und Psychotherapeuten über 60 Jahre alt. Mit 37 Prozent ist dieser Anteil bei den Hausärzten besonders hoch. „Hinzu kommt: 61 Prozent aller niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten überlegen, früher in den Ruhestand zu gehen“, so Hofmeister. Zusätzlich steige auch in Praxen die Teilzeitarbeit.
Die Rahmenbedingungen müssten sich verändern, wenn die Niederlassung auch für die nachfolgende Generation weiterhin eine erstrebenswerte berufliche Option bleiben solle. „Unter den aktuellen politischen Gegebenheiten wird sich allerdings kaum ein angehender Arzt oder eine angehende Medizinerin für die eigene Praxis entscheiden. Damit bricht das Fundament der medizinischen Versorgung in diesem Land langsam, aber stetig weg“, warnt die KBV-Vorständin Sibylle Steiner.
„Mit dieser multimedialen Kampagne wollen wir die Politik auf allen Ebenen, ob in der Gemeinde oder im Bund, aufrütteln“, erklärte Steiner. Das solle unter anderem über TV, Print, Internet und via Social Media geschehen. Oftmals entstünde der Eindruck, dass die politische Aufmerksamkeit ausschließlich Krankenhäusern gelte. „Eine gute Krankenhausreform ist ohne Verbesserung der ambulanten Versorgung aber ebenso wenig möglich wie umgekehrt“, so Steiner. Insgesamt würden sich die Kosten für die Kampagne im siebenstelligen Bereich bewegen, so Gassen.
Im Gegensatz zu den Regierenden habe die Bevölkerung den Ernst der Lage bereits verstanden: Laut einer Civey-Umfrage befürchtet die Hälfte der rund 5000 Befragten, dass ihre Arztpraxen in naher Zukunft schließen könnte. Über 62 Prozent stimmen der Aussage zu, dass sich Arztpraxen aktuell in einer Notlage befinden. 72 Prozent der Patientinnen und Patienten sagen, ihre Ärzte sind Vertrauenspersonen für sie. Über 86 Prozent der Befragten ist die Nähe zum Wohnort bei der Wahl einer Ärztin oder eines Arztes wichtig. Gut 50 Prozent gaben an, dass ihnen das Thema bei der Wahlenentscheidung für eine Partei wichtig ist.
„Bei diesen Aussagen handelt es sich nicht um das Gerede von Funktionären, sondern um echte Sorgen der Bürgerinnen und Bürger“, so Gassen. Daher müssten die Rahmenbedingungen der ambulanten Versorgung für die 84 Millionen Patientinnen und Patienten schnell und konsequent verbessert werden – beispielsweise durch Abbau der überbordenden Bürokratie oder Verbesserung der bislang dysfunktionalen Digitalisierung.
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