Bei ihren verlustreichen Wertpapiergeschäften hat die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) nicht gegen die damals gültigen Anlagekriterien verstoßen. Zu dieser Bewertung kommt die Bundesregierung. Die KBV hatte im Jahr 2006 mit dem Kauf von Wertpapieren der isländischen Glitnir Banki einen Verlust von knapp einer Million Euro erlitten.
Diese „Geldanlagen entsprachen den Anforderungen des damals geltenden Rundschreibens des Bundesversicherungsamtes (BVA) für die Vermögensanlagen der gesetzlichen Krankenkasse. Dies kann als Orientierung auch für die Vermögensanlagen der KBV herangezogen werden“, schreibt die parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium (BMG), Annette Widmann-Mauz (CDU), in ihrer Antwort auf eine Anfrage der Fraktion Die Grünen.
Die Anlagevorschriften des BVA wurden erst im November 2008 verschärft. Nach Darstellung des BMG hat die KBV im August 2006 und im Oktober 207 über die Sparkasse Köln/Bonn Inhaberschuldverschreibungen der Glitnir Banki im Gesamtvolumen von 1,069 Millionen Euro gekauft. Diese verloren in der Finanzkrise fast ihren gesamten Wert und wurden am 12. Februar 2015 für 160.000 Euro verkauft.
Mit einem zweiten Wertpapiergeschäft hatte die KBV mehr Glück: Im Juli 2007 kaufte die KBV wiederum über die Sparkasse Köln/Bonn für eine knappe Million Euro Fondsanteile am SK Selectedbond. Ihr Wert sank in der Folgezeit um 105.235 Euro und musste im Jahresabschluss der KBV entsprechend abgeschrieben werden. Zu Beginn des Jahres 2015 konnte die KBV die Fondsanteile aber mit einem Gewinn verkaufen.
Im Verhalten und in den Anlageempfehlungen der Sparkasse Köln/Bonn sieht das BMG ebenfalls kein Problem. „Nach Auskunft der KBV liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass ein Beratungsfehler der Sparkasse Köln/Bonn gegeben ist, der Ansatzpunkt für eine Prüfung eines Regressanspruch wäre“, so das BMG.
In den KBV-Berichten wurde die verlustreichen Wertpapiergeschäfte allerdings nicht offen ausgewiesen. Die Verluste seien 2009 bei der KBV zwar „ergebnismindert verbucht“ worden. Der Ausweis sei allerdings „nicht einzeln als Verlust“ erfolgt. „Vielmehr wurde der Verlust an anderer Stelle mit einem Vermögenswert saldiert“, so das BMG. Dieses Verfahren sei vom Abschlussprüfer nicht beanstandet worden. Den Vorwurf der „Verschleierung“ der erlittenen Verluste macht das BMG der KBV daher nicht.
Im Jahr 2012 gab sich die KBV laut BMG selbst eine neue Anlagerichtlinie, die über die Anforderungen des BVA hinausgehe. Diese regele auch die Verantwortlichkeit in der KBV für Wertpapiergeschäfte. Die KBV habe im Oktober 2012 zudem einen Anlageausschuss als Prüf- und Beratungsgremium eingeführt.
Obwohl das BMG an den fraglichen Wertpapiergeschäften nichts auszusetzen hat, sieht Minister Hermann Gröhe (CDU) dennoch Anlass, zu prüfen ob es einer „Weiterentwicklung der gesetzlichen Regelungen zum Haushalt und zum Vermögen bedarf“. Das BMG arbeitet derzeit nach eigenen Angaben an einem Gesetzentwurf zur Verschärfung der Kontrolle.
Zuletzt war die KBV auch wegen unsicherer Haftungsrisiken in Höhe von 57 Millionen Euro im Zusammenhang mit dem Bau ihres Berliner Hauses in die Schlagzeilen geraten. Das BMG wirft der mächtigen Ärztelobby dabei schwerwiegende rechtliche Verstöße vor und fordert Konsequenzen.
Nachdem die KBV im Rahmen ihres Umzugs nach Berlin keine Genehmigung zur Errichtung eines Bürogebäudes erhielt, half die Deutsche Apotheker- und Ärztebank (Apobank) aus. Ein eigens gegründetes Unternehmen hatte den einzigen Zweck, ein Bürogebäude für die KBV zu errichten, um es an diese zu vermieten. Später folgten in Absprache weitere Grundstückskäufe und Neubauten, von denen nur einer von der KBV selbst genutzt werden sollte.
Allerdings geriet die Firma durch diese Grundstückskäufe und Baumaßnahmen in eine finanzielle Schieflage. Weil Geld fehlte, wurden die Grundstücks- und Baukosten nach und nach über regelmäßige Mieterdarlehen der KBV abgesichert. 2010 schließlich übernahm die KBV die Firma fast vollständig, obwohl deren Bilanz zu diesem Zeitpunkt ein Defizit von mehreren Millionen Euro aufwies und spätestens ein Jahr später überschuldet war.
Die meisten der fraglichen Vorgänge fallen in die Amtszeit des langjährigen KBV-Chefs Dr. Andreas Köhler und sind eng mit seiner Person verbunden. Der hemdsärmelige und durchsetzungsstarke Lobbyist hat für seine Ärzte regelmäßig gute Honorarzuwächse herausgeschlagen.
Köhler dominierte gut neun Jahre lang als Vorstandschef die KBV. Im November 2013 erlitt er kurz vor seinem 53. Geburtstag einen schweren Herzinfarkt und trat daraufhin von seinem Amt zurück. Zuvor sorgten bereits Köhlers Bezüge und Pensionsansprüche für Schlagzeilen. Der damalige Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) verhinderte die geplante Erhöhung von Köhlers Jahresbezügen auf 350.000 Euro. Auch Köhlers Ruhestandanprüche von 270.000 Euro pro Jahr gerieten ins Visier von Medien und Politik.
APOTHEKE ADHOC Debatte