Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) appellieren an die Regierung, dass es eine zeitnahe Impfung in den Praxen geben muss. Ohne die Unterstützung der Vertragsärzte könnte es bereits ab März dazu kommen, dass die verfügbaren Impfdosen nicht zeitnah verabreicht werden können. Die aktuellen Kapazitäten der Impfzentren seien schlichtweg zu gering.
„Eine No-Covid-Strategie gleicht Science-Fiktion. Selbst der nun angestrebte Inzidenzwert von unter 35 ist sehr ambitioniert“, urteilt KBV-Chef Dr. Andreas Gassen. Das von der KBV vorgestellte Modell zur nationalen Impfstrategie zeigt, dass eine schnellstmögliche Umsetzung von Corona-Impfungen in Arztpraxen unabdingbar sei, um unverbrauchte Impfdosen zu vermeiden. „Wir müssen zweigleisig fahren und die Impfungen so schnell wie möglich in die Praxen bringen, denn schon bald werden die Lager voll sein, aber es wird nicht ausreichend Kapazitäten zur Impfung in den Zentren geben.“
Diese These wird vom Zi mit einer Berechnung untermauert. Die aktuellen Kapazitäten aller Impfzentren in Deutschland liegen bei 136.000 Impfungen pro Tag. Diese Anzahl könne auf 200.000 Impfungen täglich ohne größeren Aufwand ausgebaut werden, erklärt Dr. Dominik von Stillfried, Vorstandsvorsitzender des Zi. Dies sei die geschätzte Kapazität der Impfzentren, die im Rahmen des Impfgipfels am 1. Februar angegeben wurde. Bei 200.000 Impfungen täglich würde es 700 Tage dauern, bis 70 Millionen Einwohner ihre zweite Impfung erhalten hätten.
Nach einem Abgleich der gelieferten Dosen pro Kalenderwoche mit den Kapazitäten in den Impfzentren kommt das Zi zu dem Schluss, dass es bereits im März dazu kommen könnte, dass die Impfkapazitäten nicht mehr ausreichen könnten um alle verfügbaren Dosen zu verimpfen. Hochgerechnet könnte sich die Zahl der überschüssigen Impfdosen im Mai auf rund drei Millionen Dosen wöchentlich belaufen. Würden alle vereinbarten Lieferungen mit den Impfstoffherstellern stattfinden, so könnten laut Gassen bereits ab April ausreichend Impfdosen vorhanden sein, sodass eine strenge Priorisierung der Impflinge nicht mehr nötig sei, insofern die Praxen bei der Impfung miteinbezogen werden. „Das Impfangebot für alle bis Ende September ist ohne die Unterstützung der Ärzte nicht haltbar“, so Gassen.
Laut KBV könnten sich bis zu 75.000 Arztpraxen an den Impfungen beteiligen. „Unsere Berechnungen haben wir vorsichtig mit 50.000 Praxen vorgenommen“, informiert Stillfried. Nicht nur bei Hausärzten würde das Impfen zum Tagesgeschäft zählen. Auch Kinder- und Frauenärzte seien sehr routiniert im Ablauf. „Rechnerisch ergibt sich auf Basis der erwarteten Impfstoffmengen die Möglichkeit einer vollständigen Durchimpfung der erwachsenen Bevölkerung bis Ende August, wenn die Vertragsärzteschaft rechtzeitig in die Kampagne einbezogen wird. Geht man für die Modellierung zunächst von rund 50.000 vertragsärztlichen Praxen aus, die im Schnitt mindestens 20 Impfungen pro Tag durchführen, resultiert ein Kapazitätspotenzial von mehr als einer Million Impfungen pro Tag, beziehungsweise fünf Millionen Impfungen pro Woche in den Praxen.“
Die Corona-Impfung dürfte jedoch nicht mit einem stark erhöhten Mehraufwand für die Arztpraxen einhergehen. Laut KBV sollte diese Impfung bezogen auf Dokumentation und Sicherheitsvorkehrungen, ähnlich wie andere Impfungen behandelt werden. Denn nur so könne auch schnell im großen Maße geimpft werden: „Dass die Vertragsärzte schnell in großer Zahl impfen können, belegen die Versorgungsdaten aus dem vergangenen Jahr: In den ersten drei Quartalen sind 3,5 Millionen Pneumokokken- und Influenza-Impfungen mehr vorgenommen worden als im Vorjahreszeitraum. Davon waren allein im September 1,8 Millionen Influenza-Impfungen. Auch im Oktober und November haben Praxen ähnlich hohe Impfstoffmengen bei den Apotheken abgerufen, sodass die Gesamtzahl aller Influenza-Impfungen 2020 in der Größenordnung von rund 20 Millionen liegen dürfte. Hinzu kommen weitere 5 Millionen Pneumokokken-Impfungen“, so der Zi-Vorstandsvorsitzende Dr. Dominik von Stillfried.
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