Angesichts der immensen Herausforderungen im deutschen Gesundheitssystem hätte es eines radikalen Wurfes bedurft – doch das Papier der AG Gesundheit und Pflege liefere nur schwache Kompromisse, kritisiert der BKK Dachverband. Insbesondere die Idee, die Gehälter der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kassen selbst und des Medizinischen Dienstes an den Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TVöD) anzupassen, stößt auf scharfe Ablehnung.
Um die finanzielle Lage der Krankenkassen zu entlasten, hatte die AG Gesundheit Steuerzuschüsse in Milliardenhöhe angekündigt und die Dynamisierung des Bundeszuschusses in Aussicht gestellt. Doch Franz Knieps, Vorstandsvorsitzender des BKK Dachverbandes, hält diese Maßnahmen für unzureichend.
„Steuergelder sollen plötzlich sprudeln für die Krankenkassenbeiträge der Bürgergeldbeziehenden, für eine Dynamisierung des Bundeszuschusses, für den Krankenhaustransformationsfonds, für die Rentenbeiträge der pflegenden Angehörigen, für die Pandemiekosten der Pflegeversicherung. Das klingt nach blühenden Landschaften, aber die Steppe ist nicht weit“, so Knieps.
Bereits in besseren Haushaltslagen und politisch ruhigeren Zeiten habe dies nicht funktioniert, sodass zu befürchten sei, dass in der aktuellen Situation, in der an allen Ecken und Enden das Geld fehle, am Ende wenig bis nichts übrig bleibe.
Wenig hilfreich sei auch der Vorschlag, die Gehälter im Kassenlager an den TVöD anzugleichen, da damit der Eindruck entstehe, die Krankenkassen würden sich an den Beiträgen ihrer Versicherten bereichern. „Eine solche Neiddebatte ist das Letzte, was wir in solchen politisch hitzigen Zeiten gebrauchen können“, mahnt Anne-Kathrin Klemm, Vorständin des BKK Dachverbandes.
Zwar hätten die Gesundheitspolitiker:innen die großen Versorgungsprobleme benannt, wie etwa zu wenige Termine, mangelnde Patientensteuerung im ambulanten Bereich und ungenutzte Potenziale der nichtärztlichen Gesundheitsberufe. „Aber all das ist nicht neu – die offenen Baustellen sind schon seit Jahren bekannt. Ob und was davon überhaupt umgesetzt wird, ist fraglich“, sagt Knieps.
Auch bei der im Sondierungspapier versprochenen Pflegereform bleibe das Papier vage: „Handfeste Lösungen werden wieder einmal vertagt“, kritisiert Klemm. Dabei mache sich laut einer aktuellen Forsa-Umfrage eine Mehrheit der Bevölkerung Sorgen um die Finanzierbarkeit und Qualität der Versorgung im Falle einer eigenen Pflegebedürftigkeit. „Da darf sich die Bundesregierung nicht wundern, wenn sich die Bürgerinnen und Bürger enttäuscht von der politischen Mitte abwenden“, so Klemm.
Der Koalitionsvertrag müsse jetzt die Weichen für eine umfassende Pflegereform stellen, die Menschenwürde und Finanzierbarkeit in Einklang bringt – und das bevor der demographische Wandel voll durchschlage. Die BKK fordert, mehr für die Prävention von Pflegebedürftigkeit zu tun, mehr für die Absicherung der Millionen Bürgerinnen und Bürger, die ihre Angehörigen pflegen, und mehr, um den hausgemachten Pflegefachkräftemangel der Vergangenheit angehören zu lassen.