Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) warnt vor einem verschärften Regressrisiko für Ärzte bei der Verschreibung von Medikamenten. Vorstandsvize Stephan Hofmeister forderte den Gesetzgeber zu einer Klarstellung auf, nachdem das Verfahren zur Findung von Arzneimittelpreisen gerichtlich gekippt worden war.
Hintergrund ist eine Entscheidung des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg (LSG). Dabei geht es um die Preisbildung bei Arzneimitteln, wo für bestimmte Patientengruppen ein Zusatznutzen festgestellt wurde, für andere nicht. Demnach kann der ausgehandelte Erstattungsbetrag, der sowohl die Patientengruppen mit als auch ohne Zusatznutzen einpreist, nicht als wirtschaftlich erachtet werden, wenn das Arzneimittel für die Patientengruppe ohne Zusatznutzen teurer ist als die zweckmäßige Vergleichstherapie.
Nach Ansicht der KBV führt diese Entscheidung der Richter zu erheblicher Verordnungsunsicherheit bei niedergelassenen Ärzten – zum Nachteil der Patienten. Verschrieben die Ärzte nämlich solche Medikamente trotzdem, drohe ihnen ein Regress, sagte Hofmeister.
Die KBV verlange eine Klarstellung, dass Erstattungsbeträge für Arzneimittel die Wirtschaftlichkeit über das gesamte Anwendungsgebiet herstellen müssten. Im übrigen könnten Patienten in der Praxis nicht immer eindeutig einer Gruppe zuzuordnen seien. Betroffen seien vor allem Patienten von selteneren Erscheinungsformen schwerer Erkrankungen wie Krebspatienten mit seltenen Mutationen.
In einem Eilverfahren hatten die Richter für das Antidiabetikum Eperzan (Albiglutid) von GlaxoSmithKline (GSK) die Bildung eines Erstattungspreises auf der Basis der üblichen Mischkalkulation verboten. „Mischpreisbildung ist rechtswidrig, wenn der G-BA bei einer Patientengruppe einen Zusatznutzen erkannt und zugleich bei einer anderen oder mehreren Patientengruppen einen Zusatznutzen verneint hat; ein Mischpreis führt in dieser Konstellation zu nicht nutzenadäquaten Preisverzerrrungen“, heißt es im Urteil.
Auch die Apotheken müssten die Indikation kennen, um den richtigen Preis abrechnen zu können. Alternativ bräuchten die Hersteller für jedes Anwendungsgebiet eine eigene Zulassung. Die Kassen hätten damit erklärtermaßen kein Problem.
Zum Hintergrund: Die sogenannte Mischkalkulation kommt bei neuen Arzneimittel immer dann zum Einsatz, wenn der Zusatznutzen nur für einem Teilbereich der Patienten nachgewiesen wird, das Arzneimittel aber auch für andere Patienten eingesetzt werden kann. In diesen Fällen wird ein Preis festgesetzt, der sich nicht ausschließlich am Preis für die zweckmäßige Vergleichstherapie (ZVT) für die Patientengruppe ohne Zusatznutzen orientiert. Der Preis übersteigt das Vergleichslevel um ein Vielfaches. Damit bleibt es für die Hersteller wirtschaftlich interessant, neue Arzneimittel in Deutschland anzubieten, auch wenn der Zusatznutzen nur für kleine Patientengruppen belegt ist.
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