Am Donnerstag wird der Bundestag das Gesetz zur Masernimpflicht verabschieden. Darin enthalten sind auch die Modellprojekte für Grippeimpfungen durch Apotheker. Kurz vor der Verabschiedung haben die Kassenärzte aus Westfalen-Lippe (KVWL) bei NRW-Landesgesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) noch einmal dagegen protestiert. Sie sehen die „ärztliche Autonomie“ in Gefahr.
Allen Versuchen, die Grenzen der ärztlichen Berufsausübung zu verwässern, sei entschieden entgegenzutreten, fordert die KVWL und hat dazu ein Postionspapier verfasst: Qualitätsgesichertes Impfen sei eine komplexe Aufgabe, die nicht im Rahmen einer einmaligen Schulung erlernt werden könne, sondern die ärztliche Aus‐ und Weiterbildung voraussetze. Zu einer Impfung gehörten auch die Impfanamnese, die Aufklärung, der Ausschluss von akuten Erkrankungen und Kontraindikationen sowie bei bestehenden Erkrankungen die Bewertung, ob eine Impfung durchgeführt werden könne.
„Impfungen müssen da stattfinden, wo eine ärztliche Überwachung und notfalls auch Behandlung möglich ist“, so die Kassenärzte. Bei seltenen, aber durchaus schwerwiegenden Impfkomplikationen – etwa einer allergischen Reaktion – müssten ärztliche Notfallmaßnahmen eingeleitet werden. Impfen sei ein invasiver Eingriff in die körperliche Unversehrtheit und damit eindeutig Ärzten vorbehalten: „Es gibt keine Notwendigkeit, etablierte und gut funktionierende Strukturen aufzubrechen und Zuständigkeiten aufzuweichen.“ Die Impfquoten in der aktuellen Grippesaison seien so gut wie nie zuvor.
„Mit einer Impfung durch die Apotheker wäre die Grenze zur ärztlichen Tätigkeit überschritten“, protestieren die Ärzte. Das Berufsrecht der Apotheker schließe das Impfen durch die Apotheker aus. Aus gutem Grund dürften Ärzte die Medikamente, die sie verordnen, nicht selbst verkaufen. Dieses sinnvolle Prinzip werde bei einer Grippeschutzimpfung durch Apotheker durchbrochen. In Deutschland existiere ein direkter Zugang zu Schutzimpfungen. Bereits nach geltendem Recht trügen niedergelassene Ärzte, Betriebsärzte und Ärzte im Öffentlichen Gesundheitsdienst zu einer Erhöhung der Durchimpfungsrate der Bevölkerung bei. „Impfen ist eine medizinische Maßnahme und damit originär ärztliche Tätigkeit“, so die KVWL.
Ursprünglich sollten die Modellprojekte zur Grippeschutzimpfung durch Apotheker mit dem Apothekenstärkungsgesetz (VOASG) eingeführt werden. Vor dem Start der parlamentarischen Beratung wollen Union und SPD jedoch das Votum der EU-Kommission abwarten. Das kann bis Dezember dauern. Deswegen haben die Koalitionsfraktionen die Modellvorhaben zur Grippeschutzimpfungen abgekoppelt und mit dem Masernschutzgesetz auf den Weg gebracht. Das Masernschutzgesetz soll im März 2020 in Kraft treten und den Apothekern damit vor der nächsten Grippeschutzimpfungssaison deren Teilnahme in Modellvorhaben sichern. Ausgelagert aus dem VOASG hat Spahn bereits die Verordnungen zum Botendienst und zur Notdienst- und BtM-Vergütung.
Mit der Impfpflicht gegen Masern in Kitas und Schulen will die Bundesregierung dieser gefährlichen Infektionskrankheit endgültig beikommen. „Wir wollen die Masern ausrotten“, sagte Gesundheitsstaatssekretär Thomas Gebhart im Bundestag bei der ersten Beratung eines Masernschutzgesetzes. „Ich will, dass kein Kind mehr an Masern erkrankt, und ich will, dass niemand mehr an den Folgen dieser Krankheit stirbt.“ Dazu müssten mindestens 95 Prozent der Bevölkerung gegen die Krankheit immun sein. In diesem Jahr seien in Deutschland bereits mehr als 490 Masernfälle gemeldet worden, sagte Gebhart.
Der Gesetzentwurf von Spahn sieht vor, dass Eltern ab März 2020 vor Aufnahme ihrer Kinder in Kitas oder Schulen nachweisen müssen, dass diese geimpft oder immun sind. Die Pflicht soll auch für Personal in Kitas und Schulen sowie für Beschäftigte in medizinischen Einrichtungen gelten. Bei Verstößen drohen Bußgelder bis zu 2500 Euro.
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